Ende März wird in Großbritannien das Parlament aufgelöst. Dann werden etwa 77 Abgeordnete aus der Politik ausscheiden. Diejenigen, die vor Ort einen Zweitwohnsitz für ihre Arbeit im Parlament erworben haben, können sich dann über zusätzliches Geld freuen. Sie profitieren von den gestiegenen Immobilienpreisen. Zumal einige der Abgeordnete sogar beim Kauf der Immobilie finanzielle, staatliche Unterstützung erhielten: also vom Steuerzahler.
Eine Untersuchung des Online Maklers Emoov und der britischen City A.M. zeigt, dass diese Abgeordneten bis jetzt insgesamt einen Gewinn in Höhe von mehr als neun Millionen Pfund mit ihren Zeitwohnsitzen erzielt haben. Bis zum aufgedeckten Spesenskandal 2010 konnten Abgeordnete nämlich eine zusätzliche Kostenpauschale (ACA) beantragen. Wenn sie nachweisen konnten, dass sie sowohl in ihrem Wahlkreis als auch in Westminster einen Aufenthaltsort brauchen, erhielten sie eine finanzielle Unterstützung.
Sie konnten beispielweise Hypothekenzinszahlungen für ihren zweiten Wohnsitz geltend machen, so City A.M. Aber auch die Gemeindesteuer, Telefon, Reparaturen, Versicherung etc. Nach dem Spesenskandal von 2010 wurde diese Regelung geändert. Viele Abgeordnete verkauften daraufhin ihre erworbenen Eigentumswohnungen und mieteten sich eine. Etwa 32 Abgeordnete sollen ihren gekauften Zweitwohnsitz aber weiterhin behalten haben.
Infolge der gestiegenen Immobilienpreise haben diese Immobilien stark an Wert gewonnen. Von 2005 bis 2010 erhielt etwa Sir George Young insgesamt staatliche Zuzahlungen für sein zweites Zuhause in Höhe von 132.282 Pfund. Seit 2005 hat sich der durchschnittliche Wert für eine Immobilie in Youngs Wohngegend von 357.230 Pfund (487.851€) auf 861.723 Pfund (1,176 Mio. €) mehr als verdoppelt. Würde Young seine Wohnung nun verkaufen, könnte er mehr als 500.000 Pfund Gewinn damit machen, so City A.M. Tim Yeo erhielt zwischen 2005 und 2010 133.386 Pfund über die ACA-Regelung. Seine Immobilie nahe der Themse steigerte ihren Wert ebenfalls: Von geschätzten 357.230 Pfund (2005) auf 861.123 Pfund. Allein 2013 hatten sich die Immobilienpreise teilweise um bis zu 20 Prozent erhöht.
Britische Abgeordnete, die ihren Zweitwohnsitz verkaufen, müssen eine Kapitalertragssteuer in Höhe von 28 Prozent auf alle Gewinne von mehr als 11.000 Pfund zahlen. Bei einer Wertsteigerung von mehr als 500.000 Pfund bleibt allerdings selbst nach Abzug der Kapitalertragssteuer sehr viel Geld übrig. Das müssen die Abgeordneten nicht zurückzahlen.
„Das macht deutlich, dass die Änderungen, die im Zuge des Spesenskandals vorgenommen wurden, einfach unzureichend sind“, sagte Jonathan Isaby von der britischen Steuerzahler Allianz. Emoov Gründer Russel Quirk sagte: „Ich bin entsetzt, dass gewählte Vertreter in der Lage sind, persönliche Vorteile aus dem öffentlichen Geld zu ziehen.“ Während die Steuerzahler mit den gestiegenen Immobilienpreisen kämpften und teilweise aus der Stadt verdrängt wurden, schlugen Abgeordnete mit Steuergeldern Profite aus dem Immobilienboom.
Nach dem Spesenskandal 2010 stoppte man die öffentliche Unterstützung für die Hypothekenzinssätze der Zweitwohnsitze. Als Übergang konnten aber 2010 wiedergewählte Abgeordnete von Mai 2010 bis August 2012 noch einmal die Immobilienkosten geltend machen. Das sollte ihnen Zeit geben, sich nach einer Alternative umzusehen. Stieg der Wert der Immobilie in diesem Zeitraum, musste der Abgeordnete diesen Wertgewinn an den Staat zurückzahlen.
Wie lang die Immobilienpreise in Großbritannien allerdings noch so hoch bleiben, ist nicht eindeutig zu sagen. Der IWF warnt vor dem Platzen der Blase. Im dritten Quartal des vergangenen Jahres kam es sogar zu leicht sinkenden Hauspreisen.