Politik

Deutsche Behörden greifen massiv auf Bank-Informationen der Bürger zu

Die deutschen Behörden greifen offenbar massiv auf die Unterlagen von Bank-Konten der Bürger zu. Eigentlich war das entsprechende Gesetz zur Bekämpfung des Terrors gedacht. Doch heute bedienen sich die Behörden, um mehr über Pleitiers, Schuldner oder die Bezieher von Sozialleistungen zu erfahren.
11.04.2015 01:12
Lesezeit: 2 min

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff berichtet über die Ausspähung von privaten Kontendaten durch die Behörden. Ursprünglich wurde das Kontodatenabruf-Verfahren mit dem Vorwand des Kampfs gegen den Terrorismus begründet. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff kritisiert in ihrem Tätigkeitsbericht den massiven Abruf von Kontodaten von deutschen Bürgern durch die Behörden. Insbesondere die Finanzämter informieren sich darüber, über wie viel Konten und Wertpapierdepots die Betroffenen verfügen. Auch die Jobcenter haben diese Befugnis.

Doch die Praxis schießt deutlich über das Ziel hinaus. Voßhoff schreibt in ihrem Tätigkeitsbericht unter Punkt „9.5 - Immer mehr Kontenabrufe“:

„Das automatisierte Kontenabrufverfahren wird ständig erweitert. Dies betrifft den Kreis der Abrufberechtigten ebenso wie die Anzahl der getätigten Anfragen. Dies steht mit der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers nicht in Einklang.

Die Nutzung des automatisierten Kontenabrufverfahrens nach § 93 Absatz 7 und 8 i. V. m. § 93b Abgabenordnung (AO) nimmt stetig zu, wie ein Blick auf die Statistiken des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) zeigt. Lag im Jahr 2010 die Anzahl der Kontenabrufe noch bei 57 933, waren es im Jahr 2012 bereits 72 578 Kontenabrufe, das entspricht einer Zunahme um ein Viertel im Berichtszeitraum. Insgesamt wurden seit Beginn des Kontenabrufverfahrens im Jahr 2005 bis zum 31. Dezember 2012 333 652 Kontenabrufe verzeichnet (vgl. Kasten a und b zu Nr. 9.5). Auch der Kreis der Berechtigten, die eine Abfrage von Bankkundendaten vornehmen können, ist in den letzten Jahren zunehmend erweitert worden. Mittlerweile können etwa die Gemeinden in den Fällen des § 1 Absatz 2 AO die Kontenabfrage ebenso nutzen wie die Behörden, die zuständig sind für Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II, für Sozialhilfe nach dem SGB XII, für Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, für Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz und für Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz. Der Gesetzgeber hat mit § 93 Absatz 8 Satz 2 AO eine weitere Öffnungsklausel geschaffen, wonach ein Kontenabruf in anderen Fällen erfolgen darf, wenn dies durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist, sodass ab dem 1. Januar 2013 auch Gerichtsvollzieher ein Ersuchen stellen können (vgl. § 802l Zivilprozessordnung). Es ist daher zu erwarten, dass auch andere öffentliche Stellen bald ihr Interesse anmelden werden. Diese Ausdehnung ist schon deswegen kritisch zu sehen, weil die Zugriffsmöglichkeiten ursprünglich für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Strafverfolgungsbehörden vor dem Hintergrund der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung geschaffen worden sind. Ursprünglich verfolgtes Ziel war die Austrocknung der Finanzströme des Terrorismus. Die nunmehr verfolgten Zwecke stehen hiermit in keiner Verbindung und sind in ihrer Wertigkeit auch nicht mit der Terrorismusbekämpfung gleichzusetzen. Wenn bereits zum Zeitpunkt der Kontoeröffnung die Kontostammdaten automatisch als Datensatz gespeichert und dieser durch das Kontenabrufverfahren verfügbar gemacht werden kann, erfolgt letztlich eine anlasslose Erfassung grundsätzlich aller Kontoinhaber in Deutschland. Da somit der Datensatz bereits vorliegt, obwohl noch keine Erklärungspflicht des Steuerpflichtigen besteht, ist von einer erheblichen Eingriffsintensität auszugehen, die weit über die ursprünglichen Absichten des Gesetzgebers hinaus das Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangiert.“

Doch auch innerhalb der EU ist das Thema Datenschutz umstritten. Lobbyplag hat zahlreiche Dokumente zum EU-Datenschutzgesetz untersucht. Mit Blick auf die Änderungsvorschläge der einzelnen Länder und Politiker zeigte sich, dass vor allem Deutschland den Datenschutz in der EU abschwächen will. Ungarn hingegen gehen die Entwürfe noch nicht weit genug.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Von Innovation zur Verstaatlichung: Wo die Intel-Aktie gescheitert ist
01.09.2025

Intel galt einst als Inbegriff amerikanischer Technologieführung. Doch Milliardenverluste, strategische Fehltritte und politische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mehrheit der Beschäftigten gegen längere Arbeitszeiten
01.09.2025

Viele Beschäftigte lehnen längere Arbeitszeiten klar ab – trotz politischer Forderungen und wirtschaftlicher Argumente. Eine aktuelle...

DWN
Politik
Politik Genosse Xi empfängt Genosse Putin – Kim Jong Un an seiner Seite
01.09.2025

Beim Xi-Putin-Treffen in China zeigt sich die autoritäre Allianz geschlossen. Mit Kim Jong Un an ihrer Seite senden Chinas Machthaber Xi...

DWN
Finanzen
Finanzen Teamviewer-Aktie schießt hoch – das ist der Grund
01.09.2025

Die Teamviewer-Aktie sorgt derzeit für Schlagzeilen: Nach einer überraschenden Hochstufung durch Analysten zieht der Kurs kräftig an....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Brüssel erfüllt US-Bedingung: Zölle für EU-Autos sollen sinken
01.09.2025

Die EU hat zwei Gesetzesvorschläge vorgelegt, um den US-Forderungen im Zollstreit nachzukommen. Damit ist die Voraussetzung geschaffen,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen SportScheck-Gläubiger erhalten Geld: Warum die SportScheck-Insolvenz anders verlief
01.09.2025

Die SportScheck-Pleite hätte für viele zur Katastrophe werden können, doch für zahlreiche SportScheck-Gläubiger entwickelte sich die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen IPO fällt aus: Stada-Übernahme statt Stada-Börsengang
01.09.2025

Die geplante Börsennotierung von Stada wurde überraschend gestoppt – stattdessen haben sich hinter den Kulissen Investoren positioniert...

DWN
Politik
Politik Spahn und Miersch: Solidaritätsbesuch in der Ukraine
01.09.2025

Ein seltener gemeinsamer Solidaritätsbesuch führt Jens Spahn und Matthias Miersch nach Kiew. Inmitten eskalierender Angriffe beraten sie...