Wirtschaft

EU hat kein Energie-Konzept und will Russland wegen Gazprom verklagen

Die EU schickt sich zu einer diplomatischen Meisterleistung an: Obwohl die Energie-Union nur auf dem Papier besteht und die EU-Staaten damit vom russischen Erdgas abhängig sind, will die EU-Kommission den russischen Gazprom-Konzern aus Kartellrechstgründen verklagen. Die Aktion könnte auch die Revanche für die russischen Gas-Avancen an Griechenland sein.
21.04.2015 01:55
Lesezeit: 2 min

Die EU-Wettbewerbsbehörde will eine kartellrechtliche Klage gegen das russische, staatseigene Energie-Unternehmen Gazprom einreichen. Der Konzern wird des Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung bei der Erdgasversorgung von EU-Ländern beschuldigt.

Der Leiter des russischen Gasriesen Gazprom, Alexej Miller, wird am Dienstag in Athen zu Gesprächen mit dem griechischen Premierminister Alexis Tsipras und Energieminister Panagiotis Lafazanis erwartet. Die Gespräche werden sich um „aktuelle Energiefragen von Interesse“ drehen, erläuterte Gazprom-Sprecher Sergei Kuprianov, der den Besuch bestätigte, wie Reuters berichtet.

Anfang April war Tsipras nach Moskau gereist. Bei den Konsultationen ging es auch um das Interesse Griechenlands an der Beteiligung einer Pipeline namens „Turkish Stream“, die über die Türkei und Griechenland russisches Gas nach Europa leiten soll.

Das Projekt „South Stream“ war am Widerstand der EU gescheitert, deren Wettbewerbsrichtlinien es nicht zulassen, dass Lieferant und Betreiber eines Energieleitungssystems identisch sind. Dasselbe könnte nun allerdings auch mit „Turkish-Stream“ geschehen (das ab der griechischen Seite einen anderen Namen erhalten soll). Der einzige Ausweg für Griechenland wäre demnach, dass ab der griechischen Seite ein anderer Betreiber als Gazprom in Spiel kommt.

Indessen wird bekannt, dass die EU-Wettbewerbsbehörde kartellrechtliche Klage gegen das russische, staatseigene Unternehmen Gazprom am kommenden Mittwoch einreichen wird. Dies sagte am Montag eine Person, die in der EU mit der Materie vertraut ist. Es wäre ein weiterer Schritt, die Pattsituation zwischen Europa und Moskau eskalieren zu lassen, wie das Wall Street Journal berichtet. Im Falle einer Strafe könnte der Konzern zu einer Zahlung einer zweistelligen Milliarden-Klage verdonnert werden.

Bereits im Jahr 2012 hatte die EU-Kommission ein förmliches Prüfverfahren wegen Geschäftspraktiken von Gazprom in einigen ost- und südeuropäischen Ländern eingeleitet. Gazprom wird des Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung bei der Erdgasversorgung dieser Länder beschuldigt.

Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager betonte offenbar bereits im Februar, sie sei bereit, formal eine Anklage gegen Gazprom innerhalb „relativ kurzer Zeit“ zu erheben.

Laut Zero Hedge sagte eine Person, die in der EU-Kommission mit dem Vorgang betraut ist, dass die Anklageschrift gegen das russische Energieunternehmen auf der Tagesordnung der Sitzung der Fachkommission am Mittwoch abgestimmt würde und kein Widerstand zu erwarten sei.

Gazprom dagegen hatte in der vergangenen Woche erneut seine Bereitschaft erklärt, mit der EU-Kommission zu einem Einvernehmen zu kommen. Formelle Gespräche scheiterten jedoch im vergangenen Jahr, nachdem der Konflikt zwischen dem Westen und Russland um die Ukraine eskaliert war.

Die EU ist zu großen Teilen von den russischen Erdgaslieferungen abhängig. Ein eigenständiges Energie-Konzept der EU besteht nur auf dem Papier. Die Mitgliedsstaaten sind weitgehend darüber zerstritten, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Frankreich will den Atom-Strom forcieren, Deutschland seine Energie-Wende exportieren. Doch selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, bisher die vehementeste Verfechterin der Erneuerbaren Energien, hat erst kürzliche eingeräumt, dass die Energiewende nicht so läuft wie erhofft. 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rechtsruck in Polen – schlechte Aussichten für Berlin?
02.06.2025

Polen hat einen neuen Präsidenten – und der Wahlausgang sorgt europaweit für Nervosität. Welche Folgen hat der Rechtsruck für Tusk,...

DWN
Politik
Politik Trump zieht Investoren ab – Europa droht der Ausverkauf
02.06.2025

Donald Trump lockt mit Milliarden und Zöllen Investoren zurück in die USA – Europa verliert an Boden. Bricht der alte Kontinent im...

DWN
Politik
Politik Plan von Klingbeil: Steuerentlastungen für Unternehmen – das sind die Details
02.06.2025

Die schwarz-rote Koalition will zeigen, dass sie Probleme angeht – auch die schwächelnde Wirtschaft. Finanzminister Lars Klingbeil will...

DWN
Technologie
Technologie Robotikbranche 2025 in schwieriger Phase – Umsatzrückgang droht
02.06.2025

Die deutsche Robotikbranche kämpft 2025 mit rückläufigen Umsätzen und schwankenden Rahmenbedingungen. Welche Teilbereiche sind...

DWN
Finanzen
Finanzen Biontech-Aktie hebt ab: Milliardenkooperation mit US-Pharmaunternehmen
02.06.2025

Die Biontech-Aktie erhält neuen Aufwind: Eine milliardenschwere Allianz mit Bristol-Myers Squibb weckt Hoffnung bei Anlegern und...

DWN
Finanzen
Finanzen Hensoldt-Aktie auf Rekordjagd: Was Anleger jetzt wissen sollten
02.06.2025

Die Hensoldt-Aktie überrascht mit einem historischen Kursfeuerwerk – doch ist der Höhenflug gerechtfertigt? Anleger sollten genauer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KfW-Analyse: Mittelstand zieht sich aus dem Ausland zurück
02.06.2025

Eine aktuelle KfW-Analyse zeigt: Immer mehr Mittelständler ziehen sich aus dem Auslandsgeschäft zurück. Was steckt hinter dem Rückzug...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Personalstrategie: Warum Top-Kandidaten oft scheitern – und was das über unser System verrät
02.06.2025

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Bei der Personalauswahl geht es immer weniger um Kompetenz – und immer mehr um Bauchgefühl,...