Die EU-Wettbewerbsbehörde will eine kartellrechtliche Klage gegen das russische, staatseigene Energie-Unternehmen Gazprom einreichen. Der Konzern wird des Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung bei der Erdgasversorgung von EU-Ländern beschuldigt.
Der Leiter des russischen Gasriesen Gazprom, Alexej Miller, wird am Dienstag in Athen zu Gesprächen mit dem griechischen Premierminister Alexis Tsipras und Energieminister Panagiotis Lafazanis erwartet. Die Gespräche werden sich um „aktuelle Energiefragen von Interesse“ drehen, erläuterte Gazprom-Sprecher Sergei Kuprianov, der den Besuch bestätigte, wie Reuters berichtet.
Anfang April war Tsipras nach Moskau gereist. Bei den Konsultationen ging es auch um das Interesse Griechenlands an der Beteiligung einer Pipeline namens „Turkish Stream“, die über die Türkei und Griechenland russisches Gas nach Europa leiten soll.
Das Projekt „South Stream“ war am Widerstand der EU gescheitert, deren Wettbewerbsrichtlinien es nicht zulassen, dass Lieferant und Betreiber eines Energieleitungssystems identisch sind. Dasselbe könnte nun allerdings auch mit „Turkish-Stream“ geschehen (das ab der griechischen Seite einen anderen Namen erhalten soll). Der einzige Ausweg für Griechenland wäre demnach, dass ab der griechischen Seite ein anderer Betreiber als Gazprom in Spiel kommt.
Indessen wird bekannt, dass die EU-Wettbewerbsbehörde kartellrechtliche Klage gegen das russische, staatseigene Unternehmen Gazprom am kommenden Mittwoch einreichen wird. Dies sagte am Montag eine Person, die in der EU mit der Materie vertraut ist. Es wäre ein weiterer Schritt, die Pattsituation zwischen Europa und Moskau eskalieren zu lassen, wie das Wall Street Journal berichtet. Im Falle einer Strafe könnte der Konzern zu einer Zahlung einer zweistelligen Milliarden-Klage verdonnert werden.
Bereits im Jahr 2012 hatte die EU-Kommission ein förmliches Prüfverfahren wegen Geschäftspraktiken von Gazprom in einigen ost- und südeuropäischen Ländern eingeleitet. Gazprom wird des Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung bei der Erdgasversorgung dieser Länder beschuldigt.
Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager betonte offenbar bereits im Februar, sie sei bereit, formal eine Anklage gegen Gazprom innerhalb „relativ kurzer Zeit“ zu erheben.
Laut Zero Hedge sagte eine Person, die in der EU-Kommission mit dem Vorgang betraut ist, dass die Anklageschrift gegen das russische Energieunternehmen auf der Tagesordnung der Sitzung der Fachkommission am Mittwoch abgestimmt würde und kein Widerstand zu erwarten sei.
Gazprom dagegen hatte in der vergangenen Woche erneut seine Bereitschaft erklärt, mit der EU-Kommission zu einem Einvernehmen zu kommen. Formelle Gespräche scheiterten jedoch im vergangenen Jahr, nachdem der Konflikt zwischen dem Westen und Russland um die Ukraine eskaliert war.
Die EU ist zu großen Teilen von den russischen Erdgaslieferungen abhängig. Ein eigenständiges Energie-Konzept der EU besteht nur auf dem Papier. Die Mitgliedsstaaten sind weitgehend darüber zerstritten, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Frankreich will den Atom-Strom forcieren, Deutschland seine Energie-Wende exportieren. Doch selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, bisher die vehementeste Verfechterin der Erneuerbaren Energien, hat erst kürzliche eingeräumt, dass die Energiewende nicht so läuft wie erhofft.