Politik

EU-Studie belegt dramatische Ausbeutung und Lohndumping in Europa

Lesezeit: 1 min
02.06.2015 12:56
Nach einem Bericht der Die EU-Grundrechteagentur sind Ausbeutung am Arbeitsplatz und Lohndumping in den EU-Staaten weit verbreitet. Betroffen seien insbesondere Nicht-EU-Ausländer. Die Sprecherin der Agentur, Blanca Tapia, kritisiert die Regierungen der EU-Staaten: „Sie können die Bedingungen für die Hühner kontrollieren, aber nicht für die Arbeiter“.
EU-Studie belegt dramatische Ausbeutung und Lohndumping in Europa

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Schwere Ausbeutung von Arbeitskräften ist nach einem EU-Bericht in einigen Wirtschaftszweigen weit verbreitet. Die EU-Grundrechteagentur (FRA) stützt sich bei dieser Einschätzung unter anderem auf rund 600 Gespräche mit Gewerkschaftern, Polizisten oder Mitarbeitern von Aufsichtsbehörden. «Ausländische Arbeitnehmer haben in der EU ein ernsthaftes Risiko, ein Opfer von Arbeitsausbeutung zu werden», sagte Blanca Tapia von der FRA.

Jeder fünfte Gesprächspartner traf demnach mindestens zweimal pro Woche auf einen solchen Fall, heißt es in der am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Untersuchung. Zum Teil verdienten die Betroffenen nur einen Euro pro Stunde oder weniger, arbeiteten an sechs bis sieben Wochentagen und hätten keinen Vertrag.

Eine klare Definition ist indes schwierig. «Das Projekt hat sich nur mit jenen Formen der Arbeitsausbeutung befasst, die strafrechtlich verfolgt werden können», sagte Albin Dearing von der FRA. Dabei sei die rechtliche Situation unter den EU-Ländern aber unterschiedlich. In Polen beispielsweise gelten landwirtschaftliche Betriebe laut seiner Kollegin Tapia als Privatgrundstücke, relevante Kontrollen seien schwierig. «Sie können die Bedingungen für die Hühner kontrollieren, aber nicht für die Arbeiter», beklagte Tapia.

Deutschland gehört laut Bericht zu gerade einmal vier Staaten innerhalb der Europäischen Union, die EU-Bürgern den gleichen Schutz gewähren wie Nicht-EU-Bürgern. Allerdings sei hierzulande unklar, welche Behörde gegen Arbeitsausbeutung vorgehen müsse, bemängelte Dearing. «Es fühlt sich keiner richtig zuständig.» Die Verhältnisse in der Baubranche geben in Deutschland den Befragten zufolge am häufigsten Anlass zur Sorge. Die Einbindung von Subunternehmern erhöhe das Risiko, betonte Dearing.

Insgesamt sahen die Teilnehmer der Untersuchung im Bereich Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei das höchste Risiko für Ausbeutung, gefolgt von der Baubranche, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, der Beschäftigung im Haushalt und in der verarbeitenden Industrie.

Zahlen zum Ausmaß des Problems in Deutschland oder in der EU liefert die Studie nicht. «Diese Verbrechen geschehen im Verborgenen», erklärte Tapia von der FRA. «Niemand kann diese Zahlen haben.» Die Autoren hätten vielmehr nach Ursachen forschen oder Gruppen von Betroffenen identifizieren wollen.

Die Agentur pocht auf bessere Kontrollen und schärfere Gesetze. Vorbildlich seien die Instrumente im Kampf gegen den Menschenhandel. Denkbar sei auch ein staatlich überwachtes Siegel für Produkte, die ohne Ausbeutung entstanden sind.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik EU-Finanzminister wollen Reform der Schuldenregeln beschließen
07.12.2023

Am Freitag wollen sich die EU-Finanzminister auf eine Reform der Schuldenregeln verständigen. Der jüngste Vorschlag aus Spanien stellt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ökonom warnt: Deutschland droht Zusammenbruch seiner Wertschöpfung
07.12.2023

Der Schock über die Ergebnisse der jetzt vorgestellten PISA-Studie 2022 ist groß, Deutschland gleitet in eine tiefe Bildungskrise. Über...

DWN
Finanzen
Finanzen Ökonomen erwarten baldige Zinssenkung durch EZB
07.12.2023

Nicht nur die Märkte erwarten, dass die EZB die Zinsen bereits im zweiten Quartal 2024 wieder senken wird, sondern auch die von Reuters...

DWN
Finanzen
Finanzen EuGH: Schufa-Score darf nicht maßgeblich für Kreditwürdigkeit sein
07.12.2023

Egal ob beim Mietvertrag, dem Handyanbieter oder dem Stromversorger: Mit einem schlechten Schufa-Score hat man oft wenig Chancen. Nun hat...

DWN
Finanzen
Finanzen Berliner Finanzamt bekämpft Steuerkriminalität im Internet-Handel
07.12.2023

Das Finanzamt in Berlin-Neukölln ist ab sofort für sämtliche ausländische Unternehmen zuständig, die keinen Firmensitz hier haben. Es...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Industrie drosselt Produktion fünften Monat in Folge
07.12.2023

Die deutsche Industrie hat ihre Produktion bereits den fünften Monat in Folge gedrosselt. Das Minus war überraschend. Eine Rezession ist...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Rekord-Ölproduktion der USA fordert OPEC+ heraus
06.12.2023

Die USA produzieren dieses Jahr so viel Rohöl wie nie zuvor. Dies erschwert die Bemühungen der OPEC+, mit Förderkürzungen die Preise zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Römertopf: Investor verlagert Produktion aus Deutschland
06.12.2023

Für die insolvente Traditionsmarke Römertopf wurde ein Investor gefunden. Dieser produziert fortan nicht mehr in Deutschland.