Finanzen

Griechen-Poker: Ökonomen erwarten Einigung in letzter Minute

Lesezeit: 2 min
04.06.2015 23:03
Griechenland muss bis zum Monatsende keine Kredite zurückzahlen. Der IWF bestätigt damit erneut den Zahlungsaufschub. Ökonomen haben diesen Schritt in letzter Minute erwartet.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Griechenland gewinnt Zeit zur Begleichung seiner Milliardenschulden an den Internationalen Währungsfonds: Der IWF gewährte der Regierung in Athen Aufschub für die am Freitag fällige Kredittranche in Höhe von 300 Millionen Euro. Alle in Juni fälligen Raten von insgesamt 1,6 Milliarden Euro müssten erst am Monatsende gezahlt werden, erklärte ein IWF-Sprecher am Donnerstag. Wie sehr die Euro-Retter in den Händen der Griechen sind, zeigt die Tatsache, dass der IWF diesen Schritt bereits vor Tage angekündigt hatte und in am Donnerstag bestätigte. Auch zahlreiche Ökonomen sind von einer Rettung in letzter Minute ausgegangen, wie Central Banking meldet.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras forderte die internationalen Geldgeber zu Nachbesserungen an ihren Forderungen für eine Lösung des Schuldenstreits auf. Eine Liste mit Einschnitten ins griechische Rentensystem und umfassende Zusagen zur Privatisierung von Staatsbetrieben werde in Athen als Überschreiten einer roten Linie gewertet, sagten mit der Sache vertraute Personen zu Reuters.

Die Bündelung der Kreditraten an den IWF war zuvor von Griechenland beantragt worden. Es war das erste Mal in der seit fünf Jahren andauernden Schuldenkrise, dass die Regierung in Athen die Rückzahlung einer fälligen Tranche an seine Euro-Partner oder den IWF verschoben hat.

Nach Angaben eines EU-Vertreters wird es am Freitagabend oder Samstag womöglich ein erneutes Treffen von Tsipras mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker geben. Dieses Mal könnten auch IWF-Chefin Christine Lagarde sowie EZB-Präsident Mario Draghi teilnehmen. Zuvor will Tsipras in Athen das Parlament über den Verhandlungsstand mit den Geldgebern unterrichten.

Bei einem Spitzentreffen in Brüssel sei Tsipras am Mittwochabend eine fünfseitige Liste mit Maßnahmen vorgelegt worden, sagten Insider. Darin verlangen der IWF und die Euro-Partner Rentenkürzungen im Umfang von einem Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Zudem sollen 800 Millionen Euro durch Einschnitte bei Renten für Geringverdiener eingespart werden. Die griechische Regierung solle auch auf die Rücknahme der Rentenreform und auf eigenmächtige Schritte bei Maßnahmen am Arbeitsmarkt verzichten. Die Mehrwertsteuer solle im Volumen von einem Prozent des BIP angehoben werden. Die Geldgeber bestünden zudem auf der Privatisierung der Häfen in Piräus und Thessaloniki, von Ölkonzernen und Netzbetreibern sowie des Telefon-Unternehmens OTE.

Im Gegenzug würde Athen Zugriff auf die 10,9 Milliarden Euro erhalten, die beim Euro-Rettungsfonds EFSF liegen, so die Insider weiter. Der Betrag war ursprünglich zur Stabilisierung maroder Hellas-Banken vorgesehen. Mit dem Geld sollte nun nach den Vorstellungen der Gläubiger der griechische Finanzbedarf im Juli und August abgedeckt werden, wenn Rückzahlungen an die EZB in Höhe von insgesamt rund 6,7 Milliarden Euro fällig werden.

Tsipras sagte Regierungskreisen zufolge am Donnerstag seinen Ministern nach dem Treffen mit Juncker, „extreme Forderungen“ der Gläubigerstaaten in der Schuldenkrise könnten nicht akzeptiert werden. „Jedem muss klar sein, dass das griechische Volk in den vergangenen fünf Jahren sehr gelitten hat“, wurde Tsipras zitiert. Das griechische Finanzministerium forderte „realistischere“ Vorschläge.

Nach Medienberichten schlägt die EU-Kommission eine Verlängerung des Ende Juni auslaufenden Hilfsprogramms um mehrere Monate vor. Juncker hatte sich zuletzt skeptisch zu einer solchen Option geäußert.

Eine Annäherung gibt es nach Darstellung von Tsipras bisher vor allem beim Thema Primärüberschuss, also dem Staatshaushalt ohne Zinszahlungen. Der griechische Regierungschef sicherte die am Freitag anstehende Rückzahlung einer Tranche in Höhe von knapp 300 Millionen Euro an den IWF zu.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform: Entscheidung über Lauterbachs hoch umstrittenes Projekt heute im Bundesrat
22.11.2024

Krankenhausreform: Kommt sie jetzt doch noch? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht mit seinem hochumstrittenen Projekt vor...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz von HH2E: Rückschlag für Habecks Energiewende - Wasserstoffprojekte in Sachsen in Gefahr
22.11.2024

Der Wasserstoff-Spezialist HH2E hat Insolvenz angemeldet, die Finanzierung durch ein britisches Private-Equity-Unternehmen ist gestoppt....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktien sind heiß gelaufen: Warum immer mehr Analysten den europäischen Aktienmarkt in den Blick nehmen
22.11.2024

Vermögensverwalter Flossbach von Storch sieht zunehmend Risiken für US-Aktien. Nach der jüngsten Rekordjagd an den US-Börsen verlieren...

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch kurz vor 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag hat die wichtigste Kryptowährung direkt nachgelegt. Seit dem Sieg von Donald...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...