Politik

Merkel muss Griechen retten: Bei Crash größte Verliererin der Geschichte

Lesezeit: 2 min
16.06.2015 02:10
Die Londoner Banken-Szene geht davon aus, dass Angela Merkel ein Machtwort zur Rettung Griechenlands sprechen wird. Der Grund: Im Fall eines Grexit hätten Angela Merkel und François Hollande 160 Milliarden Euro verspielt – der größte Verlust, den Politiker ihren Ländern jemals beschert hätten.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Einer der Gründe, warum die griechische Regierung in der Krise relativ locker agiert, liegt in dem Risiko, dass Angela Merkel und François Hollande vor sich herschieben: Im Zentralorgan der City of London, der FT, hat Wolfgang Münchau errechnet, dass Deutschland und Frankreich gemeinsam 160 Milliarden Euro im Feuer haben. Münchau schreibt: „Wenn Griechenland über seinen Schulden an den offiziellen Sektor insolvent geht, dann würden allen Deutschland und Frankreich 160 Milliarden Euro verlieren. Angela Merkel und François Hollande würden als die größten Finanz-Verlierer in die Geschihte eingehen. Die Gläubiger mögen vielleicht noch die Gespräche über einen Schuldenschnitt ablehnen. Doch das könnte anders sein, wenn Griechenland beginnt, in die Pleite zu rutschen. Wenn sie verhandeln, gewinnen alle. Griechenland würde in der Euro-Zone bleiben, weil die fiskalischen Anpassungen wegen der geringeren Schuldenlast leichter zu tragen wären. Die Gläubiger könnten auf diesem Weg wenigstens einen Teil ihrer sonst sicher verlorenen Kredite retten.“

Münchau ist der Meinung, dass Tsipras im Grunde nichts zu verlieren hat, weil die griechische Wirtschaft eine geschlossene Wirtschaft sei, in der eine Abwertung nicht zu sehr ins Gewicht fallen würde. Mehr noch: Die neue Drachme könnte den Griechen im Tourismus sogar nützen.

Diese These scheint gewagt zu sein: Der Schweizer Ökonom Michael Bernegger hat in einem Beitrag für Social Europe dargelegt, dass die griechische Wirtschaft wegen der Handelsflotte sehr exportorientiert sei – übrigens entgegen den gängigen Klischees sehr erfolgreich. Diese wichtigste Industrie würde von einer massiv abgewerteten Drachme vermutlich existentiell getroffen.

Auch in einem anderen Punkt ist Münchaus Analyse mindestens unvollständig: Wenn er schreibt, dass der Grexit für Griechenland eine Kleinigkeit wäre, lässt er außer Acht, was die Griechen mit ihren Bankguthaben machen sollten. Die griechischen Banken können die Einlagensicherung von 100.000 Euro pro Person nicht stemmen. Ob bereits die europäische Bankenunion einspringen kann, ist unter Juristen umstritten.

Doch von all diesen Unschärfen abgesehen, trifft der FT-Kommentar ins Schwarze: Weder Merkel noch Hollande können sich einen Grexit leisten. Das mediale Getöse, das nach einem Rauswurf Griechenlands schreit, ist zynisch gegenüber den Griechen – warum haben wir denn die EU eigentlich? Damit wir jetzt sagen, die Griechen seien an ihrem Unglückselbst schuld? Allein voran hat sich SPD-Chef Sigmar Gabriel mit seinen antigriechischen Ressentiments als Meister der Sozial-Demagogie erwiesen.

Doch noch deutlicher verkennen die „Ende-mit-Schrecken-Romantiker“, dass beim Platzen des Deals mit Griechenland die europäischen Steuerzahler eine solch unvorstellbar hohe Rechnung präsentiert bekommen, dass sich die Regierungen vermutlich nicht mehr auf die Straße getrauen. Die zusätzlichen Belastungen kommen in einer Phase, in der die Konjunktur lahmt, weil die Statistik-Tricks nicht funktionieren. Zusätzlich käme der Crash in einer Phase, in der sich die EU mit den Russland- Sanktionen selbst geschwächt hat.

Auch wenn Merkel und Hollande wenig von Wirtschaft verstehen: Als „biggest financial losers in history“, wie sie die FT nennt, wollen die beiden nicht enden.

Daher hat der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis völlig recht, wenn er sagt, dass Merkel und die Euro-Retter nur bluffen. Man braucht keine Spieltheorie, um zu erkennen, für welchen Exit sich Merkel und Hollande entscheiden werden.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Politik
Politik Biden setzt Zeichen: Todesurteile werden zu lebenslangen Haftstrafen umgewandelt
25.12.2024

Der scheidende US-Präsident Joe Biden positioniert sich klar gegen die Todesstrafe auf Bundesebene. Sein Nachfolger Donald Trump vertritt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft DWN-Interview: Hat Deutschlands Bergbau eine Zukunft?
25.12.2024

Deutschlands Bergbau steckt in einer kritischen Phase: Das Land verfügt über wertvolle Rohstoffe und ist in Bergbautechnologien führend....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Klimaneutralität Deutschland: Wie der Ländervergleich die Fortschritte zeigt
25.12.2024

Deutschland muss seine Bemühungen zur Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens intensivieren. Laut einer Bertelsmann-Studie...

DWN
Politik
Politik Auf einmal haben alle Ideen! Wahlkampfversprechen: Was die Parteien zu Steuern, Rente, Klima planen
25.12.2024

Die Wahlkampfprogramme der deutschen Parteien werden erst am kommenden Dienstag offiziell vorgestellt. Die Grundthemen und Positionierungen...

DWN
Politik
Politik CO2-Preis steigt - was das beim Tanken und Heizen bedeutet
25.12.2024

Das neue Jahr könnte mit höheren Preisen an der Tankstelle beginnen. Das liegt an einem steigenden CO2-Preis. Ab 2027 könnte sich dieser...

DWN
Technologie
Technologie KI-Wettlauf: Wie Europa den Anschluss an die Welt verliert
25.12.2024

Europas Wettbewerbsfähigkeit steht vor einer existenziellen Herausforderung. Während künstliche Intelligenz (KI) eine technologische und...

DWN
Panorama
Panorama Aus nach 170 Jahren: Schokohersteller Cadbury ist kein Hoflieferant mehr
25.12.2024

Das nennt man wohl: aus der königlichen Gunst gefallen. Die Chocolatiers von Cadbury müssen zu Weihnachten einen schweren Schlag...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft CO₂-Entnahme: Revolution oder Greenwashing? Der Weg zu einer emissionsneutralen Zukunft
25.12.2024

Die Europäische Union hat sich verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null zu reduzieren, und es gibt deutliche Anzeichen...