Die EU-Kommission geht wegen der Pkw-Maut juristisch gegen Deutschland vor. Das teilte der Sprecher von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc am Donnerstag über Twitter mit. Somit geht die EU-Kommission davon aus, dass die Maut gegen EU-Recht verstößt.
Deutschland erhält nun zunächst ein Mahnschreiben aus Brüssel, hieß es im Vorfeld. Zu den Vorwürfen müsse Berlin innerhalb von acht Wochen Stellung nehmen. Wenn sich beide Seiten nicht einigen können, droht Deutschland am Ende eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Bis zu einem Urteil könnten zwei Jahre vergehen. Damit wäre der ursprünglich geplante Starttermin im Laufe von 2016 faktisch kaum haltbar. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Einführung der Maut bis zu dieser Entscheidung verschieben, wie er der Bild sagte. «Mit der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens bremst die EU-Kommission die Umsetzung der Infrastrukturabgabe», so Dobrindt. «Wir verhalten uns rechtsstaatlich und werden eine Gerichtsentscheidung abwarten.»
Nach früheren Angaben aus Kommissionskreisen sieht die Behörde in der Abgabe eine gezielte Diskriminierung ausländischer Autofahrer. Denn unter dem Strich würden nur ausländische Fahrer belastet, weil Inländer ihr Geld über eine Senkung der Kfz-Steuer zurückbekommen sollen, hieß es. Laut Bundesverkehrsministerium soll die Maut nach Abzug der Kosten jährlich 500 Millionen Euro einbringen.
Nach dem Bild-Bericht ist wegen des schwebenden Verfahrens und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit eine Ausschreibung für die Betreiberfirmen der Maut nicht möglich. Er werde die Vorbereitungen für die Einführung jedoch wie geplant weiter vorantreiben, sagte Dobrindt der Zeitung. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs könne dann ein Betreiber ausgewählt werden. «Von unserem Kurs, mehr Gerechtigkeit auf der Straße zu schaffen, lassen wir uns nicht abbringen.» Dobrindt kündigte an, er werde mit Brüssel «eine harte Auseinandersetzung» führen.
«Niemand wird diskriminiert, alle Pkw-Halter entrichten die Infrastrukturabgabe. Was wir mit der Kfz-Steuer machen, ist ausschließlich nationale Hoheit, Brüssel hat da keine Kompetenzen», sagte Dobrindt. Für das Vorgehen Brüssels habe er «kein Verständnis».
Der SPD-Verkehrspolitiker Sebastian Hartmann sieht «eine neue Situation» für seine Partei. «Wir vertrauen bisher auf das Urteil der Bundesregierung, dass die Pkw-Maut mit europäischem Recht vereinbar ist», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Mit der SPD werde es keine zusätzlichen Belastungen für deutsche Autofahrer geben. Die Pkw-Maut sei unter klaren Bedingungen eingeführt worden. «Keine dieser Bedingungen wird nachträglich verändert oder aufgelöst.»
Der Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens warf Verkehrsminister Dobrindt vor, er verhindere eine gütliche Einigung mit der Kommission und fahre «unbeirrt in Richtung Maut für alle». «Diese politische Geisterfahrt muss sofort gestoppt und der Geisterfahrer aus dem Verkehr gezogen werden.» Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte die Regierung in der Saarbrücker Zeitung auf, ihr Mautgesetze zurückzuziehen. «Das wäre das Einfachste.»