Politik

IWF demütigt EU: Ukraine ist kreditwürdiger als Griechenland

Lesezeit: 2 min
20.06.2015 12:59
Der IWF wird weiter internationale Steuergelder in die Ukraine pumpen - auch wenn das Land pleitegeht. Diese Aussage ist eine Ohrfeige für die Euro-Retter, denn der IWF blockiert weitere Kredite für Griechenland genau mit der Begründung, dass das Land auf einen Bankrott zusteuere.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

IWF-Chefin Christine Lagarde hat mitten in der Griechenland-Krise ein bemerkenswertes Statement abgeliefert. Der englischsprachige Dienst von Reuters zitiert Lagarde mit dem  Ausspruch: „Ich begrüße die Anstrengungen der ukrainischen Regierung, ein gemeinsames Abkommen mit all seinen Gläubigern. Das ist wichtig, denn des bedeutet, dass der Fonds in der Lage ein wird, die Ukraine mit seiner Lending-into-Arrears Politik weiter zu unterstützen - und zwar sogar in dem Fall, dass ein verhandeltes Übereinkommen mit den Gläubigern nicht innerhalb der nächsten Zeit erreicht werden kann.“

Dieses Statement ist eine Ohrfeige für die EU und Griechenland: Denn der IWF blockiert weitere Kredite an Griechenland mit der Begründung, dass Kredite an eine faktisch bankrottes Land nicht mit den IWF-Regeln zu vereinbaren sei.

Die Ukraine ist allerdings nicht nur mindestens so bankrott wie Griechenland, sondern hat erst vor kurzem ein Schulden-Moratorium verabschiedet, demzufolge die Regierung die Bedienung der Schulden mehr oder weniger nach Gutdünken beenden kann.

Lagarde hatte bereits nach einem Treffen mit Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk und Finanzministerin Natalie Jaresko in Washington vor einigen Tagen angekündigt, dass der IWF „auch Kredite vergeben könnte, wenn die Ukraine feststellt, dass es nicht in der Lage ist, ihre Schulden zu bedienen,“ wie die Deutsche Welle auf ihrer englischsprachigen Website berichtet.

Die Ukraine, deren Anleihen um 9 Prozent einbrachen, nachdem Finanzministerin Natalie Jaresko erklärte, das Land würde einen Staatsbankrott erleiden, falls die privaten Gläubiger keinen Schuldenschnitt hinnehmen würden genießt also weiter das Vertrauen des IWF. Der größte Gläubiger, die Investmentgesellschaft Franklin Templeton, hält ukrainische Schuldpapiere im Wert von 7,6 Milliarden Dollar und pokert mit dem IWF und der Ukraine bis zur allerletzten Minute um einen Bail-out aus ihren verzockten Investments zu erreichen. Weil Russland als zweitgrößter Gläubiger sein Veto einlegen kann, lässt Moskau die US-Investoren in der Ukraine vorerst auflaufen.

Gegenüber Griechenland und der EU sieht das ganz anders aus. Der entscheidende Punkt liegt in der Äußerung Lagardes, man sei bereit, auch nach einem Zahlungsausfall der Ukraine weiterhin Kredite zu gewähren.

Im Fall Griechenlands dagegen besteht der IWF darauf, den Schuldenstand bis 2020 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu senken. Um dies zu erreichen, müsse Athen einen Primärüberschuss – also Staatsausgaben vor Schuldendienst – von 4,5 Prozent des BIP vom kommenden Jahr an erreichen, wie der IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard in seinem Blog fordert. Dabei seien jedoch zwei Bedingungen erforderlich: Griechenland müsse sich zu glaubhaften „Reformen“ verpflichten und die Euro-Staaten müssten einer „signifikanten zusätzlichen Finanzierung“ und einer „Schuldenerleichterung“ zustimmen. Kurzum: Die Steuerzahler der Eurozone müssten neues Geld bereitstellen und auf Teile der alten Kredite verzichten.

Der Unterschied liegt freilich darin, dass Griechenland einen Schuldenstand von nahezu 180 Prozent des BIP aufweist, die Ukraine dagegen 94 Prozent. Im Vergleich hierzu: Im Jahr 2013 lag die Staatsschuldenquote der Ukraine noch bei 41 Prozent.

Der Grund, weshalb der IWF eine so harte Linie gegenüber Griechenland fährt ist, dass der IWF angibt, der Fonds könne nur so lange an Bord (der Rettungsaktion) sein, bis Griechenland nicht endlich seine Zahlungsfähigkeit erreicht – was er mit den Steuerzahlern der USA begründet, da die USA mit knapp 17 Prozent an den Einlagen des IWF beteiligt sind.

In anderen Worten: was für den IWF ein großes Risiko der eigenen Haftung im Fall Griechenlands ist, bedeutet im anderen Fall nur einen kleinen Stolperstein, sobald Kiew im Spiel ist.

Als es zuletzt um Spekulationen ging, die darauf hinausliefen, die Ukraine könne sich seiner Zentralbank bedienen, um seine Gläubiger zu bezahlen, betonte Lagarde, die Reserven der Nationalbank „kann die Ukraine nicht für die Bedienung von Staatsschulden verwenden, ohne dass der Regierung neuen Schulden entstehen“, wie Zerohedge berichtete. Dies liefe gegen das Ziel des IWF-Bail-out-Programms für das herabgewirtschaftete Land.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz von HH2E: Rückschlag für Habecks Energiewende - Wasserstoffprojekte in Sachsen in Gefahr
22.11.2024

Der Wasserstoff-Spezialist HH2E hat Insolvenz angemeldet, die Finanzierung durch ein britisches Private-Equity-Unternehmen ist gestoppt....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktien sind heiß gelaufen: Warum immer mehr Analysten den europäischen Aktienmarkt in den Blick nehmen
22.11.2024

Vermögensverwalter Flossbach von Storch sieht zunehmend Risiken für US-Aktien. Nach der jüngsten Rekordjagd an den US-Börsen verlieren...

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch kurz vor 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag hat die wichtigste Kryptowährung direkt nachgelegt. Seit dem Sieg von Donald...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Dividenden leben? So erzielen Sie ein passives Einkommen an der Börse
21.11.2024

Dividenden-ETFs schütten jedes Jahr drei bis vier Prozent der angelegten Summe aus. Wäre das auch was für Ihre Anlagestrategie?...