Die Verhandlungen zwischen dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und den Chefs der Gläubigerinstitutionen über einen Kompromiss im Schuldenstreit sind in der Nacht beendet worden. Über Ergebnisse wurde zunächst nichts bekannt. Nach Darstellung eines Vertreters der griechischen Regierung legten die Gläubiger Vorschläge vor, die griechische Rentner und Lohn-Bezieher auf unfaire Weise belasteten. Auch die Themen Steuer- und Rentenreform waren EU-Vertretern zufolge ungeklärt. Aus griechischen Regierungskreisen hieß es allerdings, die Regierung in Athen stehe zu ihrer Position. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen sollen die Gespräche auf Spitzenebene um 09.00 Uhr fortgesetzt werden
Tsipras hatte seit dem späten Abend mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, IWF-Chefin Christine Lagarde, EZB-Präsident Mario Draghi und dem Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, verhandelt.
Die Euro-Finanzminister hatten ihre Beratungen zu Griechenland am Mittwochabend nach 90 Minuten unterbrochen. Am Donnerstag (13.00 Uhr) solle es einen neuen Anlauf geben, kündigte der finnische Ressortchef Alexander Stubb in Brüssel an.
«Wir haben die Minister nur über den bisherigen Fortschritt unterrichtet. Leider haben wir noch keine Einigung erzielt, aber wir sind entschlossen, weiterzumachen», sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Der Finne Stubb betonte, die Finanzminister bräuchten eine Vorlage. «Wir werden sehen, ob wir morgen früh einen Vorschlag haben», sagte er. Vor allem sei jetzt wichtig, dass der Verhandlungsprozess weitergehe.
«Wir wollen, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt», betonte Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici. «Daran werden wir heute Nacht und morgen arbeiten.»
Die Gespräche von Tsipras mit den Gläubigern sollten am späten Mittwochabend wieder aufgenommen werden, sagten Diplomaten. Der griechische Premier hatte bereits am Nachmittag mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, IWF-Chefin Christine Lagarde, dem Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, sowie Dijsselbloem und dem Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, beraten.
Bei diesen Gesprächen forderte die griechische Regierung laut Diplomaten eine Verlagerung der Schulden auf den ESM - was die Geldgeber ablehnen. Es gebe noch eine Menge ungelöster Probleme.
«Der Stand der Vorbereitung ist nicht so, dass man optimistisch sein kann, dass wir heute ein Ergebnis erzielen», hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schon vor dem Treffen der Ressortchefs gewarnt. Üblicherweise muss den Ministern zur Auszahlung von Hilfsgeldern eine verbindliche und umfassende Einigung der Troika mit dem Krisenland vorliegen. Allerdings werden solche Formalien längst nicht mehr genau eingehalten. So hatte es Spanien bei seiner Banken-Rettung geschafft, einen Bailout ohne die Troika zu erhalten. Schäuble wirkt seit Wochen extrem genervt über seine Arbeit. Der Streit mit Angela Merkel dürfte ihm den Rest an Spaß genommen haben.
Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling kritisierte den griechischen Vorstoß für die Schulden-Umschichtung als «den größten Brocken» in den Verhandlungen. «Das ist für viele ein drittes (Hilfs-)Programm durch die Hintertür.» Schelling ist sehr populär bei den Brüsseler Berichterstattern, weil er gerne lockere Sprüche klopf. Allerdings wird gerne vergessen, dass Schelling mit Kärnten wegen der Skandalbank HGAA sein eigenes kleines Griechenland zu betreuen hat, weshalb er sich mit großen Sprüchen in Richtung zahlungsunfähiger Schuldner eigentlich zurückhalten müsste.
Der slowakische Minister Peter Kazimir meinte zugleich: «Ich glaube, dass drei Eurogruppen-Treffen und zwei Gipfel reichen, um eine europäische Lösung für Griechenland zu finden.»
Laut Informationen der griechischen Seite gibt es unter anderem Differenzen bei der Mehrwertsteuer. Die Geldgeber forderten, dass der Satz für Restaurants auf 23 Prozent angehoben werde. Das sei ein großes Problem für das vom Tourismus abhängende Land. Der IWF wolle Kürzungen bei den Renten, aber keine Erhöhung der Unternehmensteuer, wie sie zuletzt die Griechen vorschlugen.
Am 30. Juni läuft das bereits zweimal verlängerte Hilfsprogramm der Europäer für Athen aus. Einer Einigung müssten auch das Parlament in Athen sowie die Parlamente einiger Euro-Länder zustimmen - darunter der Bundestag. Erst bei Zustimmung können die blockierten Hilfen von 7,2 Milliarden Euro freigegeben werden. Allerdings gibt es auch hier keine Regeln: Insbesondere ist der ESM genau für solche Notfälle eingerichtet worden. Eine Umschichtung von Schulden auf den ESM dürfte auch ohne Zustimmung der nationalen Parlamente möglich sein.