Die Türkei setzt ungeachtet europäischer Kritik ihr massives Vorgehen gegen die PKK fort. Sicherheitskräfte nahmen nach Medienberichten vom Montag neben mutmaßlichen IS-Mitgliedern auch erneut Dutzende Personen fest, die im Verdacht stehen PKK-Mitglieder zu sein. Zudem erklärte die syrische PKK-Miliz YPG, ihre Stellungen im Nordwesten Syriens seien von türkischen Panzern beschossen worden. Ein Sprecher des Außenministeriums in Ankara wies dies als falsch zurück. Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, den eingeleiteten Friedensprozess mit der PKK fortzusetzen.
Mehrere Panzer hätten über die Landesgrenze hinweg YPG-Stellungen beschossen, anstatt die Extremisten des Islamischen Staates (IS) unter Feuer zu nehmen, teilte die YPG-Miliz mit. Ein Sprecher der türkischen Regierung betonte dagegen, YPG sei nicht Ziel der Militärseinsätze. Die Türkei bekämpfe die PKK und den IS. Am Wochenende hatten nach Angaben aus Sicherheitskreisen Kampfjets PKK-Ziele in Harkuk im Irak unter Beschuss genommen.
Die USA billigten das Vorgehen: Die PKK sei eine terroristische Organisation, sagte Regierungssprecher Ben Rhodes. "Und so hat natürlich die Türkei das Recht, Maßnahmen gegen terroristische Ziele einzuleiten." Vergangene Woche hatte die Türkei dem Drängen der USA nachgegeben und ihre Luftwaffenstützpunkte für Luftangriffe auf den IS in Syrien und im Irak freigegeben. Zudem hatte sich die Türkei nach langem Zögern bereit erklärt, sich aktiv am Kampf gegen den IS zu beteiligen.
Ähnlich wie zuvor Merkel rief Steinmeier nach einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu zur Besonnenheit auf. Zwar habe er Verständnis für das Vorgehen gegen die Urheber der "schrecklichen Terroranschläge". "Gleichzeitig habe ich unterstrichen, dass der so mühsam aufgebaute Friedensprozess mit den Kurden jetzt nicht zum Erliegen kommen darf." Einige Kurdische Politiker sehen im Kurschwenk gegenüber dem IS nur das Feigenblatt für ein massives Vorgehen gegen kurdische Interessen in der Türkei. Der Vorsitzende der kurdisch-nationalistischen Partei HDP, Selahattin Demirtas, twitterte: "Eines der Hauptziele der jetzt ausgeführten Luft- und Bodeneinsätze sowie der Medienkampagne ist das Untergraben der HDP in vorgezogenen Neuwahlen." Vergangenen Juni hatte die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan bei den Parlamentswahlen erstmals seit einem Jahrzehnt die absolute Mehrheit verloren, weil die HDP aus dem Stand die Zehn-Prozent-Hürde überwandt. Oppositionspolitiker werfen Erdogan vor, die Kurden zu kriminalisieren, um die HDP bei Neuwahlen wieder unter die Zehn-Prozent-Marke zu drücken.