Unternehmen

Abschwung in Schwellenländern belastet mittelständische Industrie

Lesezeit: 4 min
14.10.2015 10:58
Die exportorientierte deutsche Industrie blickt deutlich pessimistischer in die Zukunft als in den vergangenen Monaten. Der anhaltende Abschwung in Schwellenländern wie Russland, China und Brasilien sorgt für sinkende Aufträge.
Abschwung in Schwellenländern belastet mittelständische Industrie
Auslandsanteil am Gesamtumsatz. (Grafik: DB Research, DWN)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Aussichten des deutschen Mittelstandes haben sich im September eingetrübt. Das KfW-Mittelstandsbarometer sank um 0,5 Punkte auf 17,3 Punkte – zum ersten Mal seit 16 Monaten. Vor allem die exportorientierte mittelständische Industrie ist für den Rückgang verantwortlich. „Da sich wichtige Industrieländermärkte erholen (EWU, USA, UK) und zudem der schwächere Euro die Exportwirtschaft für sich genommen begünstigt, liegt es unseres Erachtens sehr nahe, dass insbesondere die Wachstumsschwäche in den großen Schwellenländern (darunter Russland und China, aber auch Brasilien) den Firmen zurzeit die größten Sorgen macht“, sagte Christine Volk von der KfW den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Die Schwierigkeiten der mittelständischen Industrie werden in den kommenden Monaten nicht nur in vereinzelten Branchen zu spüren sein. Die Industrie ist für die deutschen Exporte eine tragende Kraft. Fast ein Drittel der Ausfuhren gehen auf Vorleistungsgüterproduzenten zurück und 44,1 Prozent auf Investitionsgüterproduzenten, wie die Daten des BDI zeigen (Stand 2013). Beide Branchen haben in den vergangenen Jahren ihren Anteil am deutschen Export steigern können.

Entsprechend abhängig ist die Industrie auch von der Nachfrage aus dem Ausland. So spielen beispielsweise für die Chemische Industrie die Nicht-Euro-Länder eine erhebliche Rolle, eine größere noch als die der Euroländer (siehe Grafik DB-Research). Im Maschinenbau, in der Automobilindustrie und in der Pharmaindustrie sieht es ähnlich aus. Über 40 Prozent des Gesamtumsatzes der Automobilindustrie kommt aus den Nicht-Euroländern. Der Auslandsanteil am Gesamtumsatz insgesamt liegt bei fast 65 Prozent. Im Maschinenbau kratzte der Anteil der Nicht-Euro-Länder am Gesamtumsatz 2013 noch an der 50-Prozentmarke. Durch die Russland-Sanktionen und den Abschwung in China ist der Anteil gesunken, aber immer noch hoch. In der Gummi- und Kunststofferzeugung, der Baustoffindustrie sowie in der Metallerzeugung ist der Anteil der Euroländer am Gesamtumsatz der Branche höher. Aber auch hier spielen die Nicht-Euro-Länder dennoch eine wichtige Rolle (Siehe Grafik DB-Research).

Die anhaltenden Sanktionen gegenüber Russland, der Abschwung in China und die Wirtschaftskrise in Brasilien und Argentinien wirken sich entsprechend stark auf die deutsche Industrie aus. Allein 30 Prozent der Exporte der deutschen Industrie gehen in die Schwellenländer. Gerade im August und September hat sich die Situation noch einmal verschärft. Die deutschen Exporte sanken im August um 5,2 Prozent gegenüber dem Vormonat. Die Industrie reagierte auf den Gegenwind und drosselte die Produktion.

So ist Russlands gesamte Außenhandel beispielsweise im ersten Halbjahr im Wert um fast 30 Prozent gesunken, die Einfuhren insgesamt sogar um 39,5 Prozent. Vor allem Maschinen, Transportmittel und Ausrüstungen aus dem Ausland waren von dem Rückgang betroffen, so Germany Trade Invest:

mechanische Ausrüstung - 35,1 Prozent

elektrische Ausrüstung - 38,8 Prozent

Fahrzeuge (außer Schienenfahrzeuge) - 56,5 Prozent

optische Instrumente und Apparate - 32,5 Prozent

Metalle und Metallwaren - 35,9 Prozent

weniger Stahlrohre - 44,2 Prozent

Allein die Einfuhr deutscher Maschinen und Anlagen gingen bisher schätzungsweise um mehr als 30 Prozent zurück, nachdem sie im vergangenen Jahr schon um 17 Prozent gefallen waren. Im Detail lagen die Lieferrückgänge zum Beispiel bei der Antriebstechnik bei 15,5 Prozent, bei den Bau- und Baustoffmaschinen bei rund 70 Prozent. Selbst im Medizinbereich kam es bereits zu ersten Eintrübungen. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer etwa rechnet für dieses Jahr mit einem Sinken der Exporte um 4,5 Milliarden Euro.

Die schwierige wirtschaftliche Lage und die Sanktionen haben zu sinkenden Bruttoanlageinvestitionen geführt. In den ersten sechs Monaten des Jahres sanken diese um 4,5 Prozent. Für 2016 und 2017 sind zudem Kürzungen staatlicher Investitionen auch im Hoch- und Tiefbau in den Haushaltsentwürfen enthalten.

Die sich seit einigen Monaten ankündigende Abschwung in China ist ebenfalls in der deutschen Industrie spürbar. Nicht zuletzt der Autozulieferer Leoni musste aufgrund der Rückgänge aus China und Russland im Oktober eine Gewinnwarnung herausgeben. Henkel kündigte Stellenstreichungen an. Die Klebstoffsparte des Unternehmens ist stark in China engagiert.

Chinas Wirtschaft erfährt eine Neustrukturierung und muss mit weniger staatlichen Subventionen und Eingriffen auskommen. So importierte China im September 17,7 Prozent weniger als noch im Monat zuvor. Neben den Turbulenzen an den chinesischen Aktienmärkten der vergangenen Wochen, schwächelt mittlerweile auch der chinesische Immobilienmarkt. Im normalerweise besten Monat für Hausverkäufe, im September, kam es fast zu einem Stillstand. Das wiederum wird in den kommenden Monaten wieder Rückwirkungen auf die chinesische Industrie haben. Schließlich macht die Branche 25 Prozent der Wirtschaft des Landes aus. Das bedeuten wiederum, dass auch die deutsche Industrie in naher Zukunft diese Auswirkungen noch zu spüren bekommt.

Alternativ schaut die deutsche Industrie gerade nach Indien. Hier wird verstärkt nach einem stärkeren Engagement der deutschen Politik hinsichtlich wirtschaftliche Zusammenarbeit gefragt. Nicht ohne Grund betonte auch Siemens-Chef Kaeser zuletzt, dass die deutsche Regierung – auch angesichts der aktuell schwierigen Lage – stärkere Finanzierungshilfen für deutsche Exporte anbieten müsse. Doch auch Indien kann kein adäquater Ersatz für den chinesischen Markt sein. Zuletzt korrigierte die Asian Development Bank ihren Herbstausblick für die Region Asien nach unten: von 6,3 auf 5,8 Prozent. Vor allem die Abkühlung in China und Indien wird als Grund genannt.

Nicht viel besser sieht es derzeit für die deutsche Industrie in Brasilien und Argentinien aus. Im ersten Halbjahr  fiel etwa die Produktion der brasilianischen Kfz-Industrie  um 18,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Neuzulassungen gingen um mehr als 20 Prozent zurück. Die Summe aller hergestellten Waren und Dienstleistungen sank zwischen April und Juni um 1,9 Prozent zum Vorquartal. Der Internationale Währungsfonds rechnet in diesem Jahr mit einem Rückgang des brasilianischen BIPS um 1,5 Prozent. Um jährlich 200 Millionen Real (45 Millionen Euro) einsparen zu können, kündigte die Präsidentin Rousseff die Abschaffung von acht Ministerien und 3.000 Stellen an.

„Die gesamtwirtschaftliche Lage und die ungünstigen Finanzierungskonditionen in Brasilien beeinträchtigen hingegen nach wie vor die Investitionstätigkeit, sodass auch für die kommenden Monate deutlich rückläufige Verkaufszahlen erwartet werden“, hieß es bereits im Juli bei Daimlers. Bei BMW brachen die Zulassungen im ersten Halbjahr In Brasilien (– 19,8%) und Russland (– 36,6%) ein, heißt es im aktuellen Finanzbericht des Unternehmens.

Die derzeitigen wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten in den Schwellenländern lassen keine schnelle Erholung erwarten. Vor diesem Hintergrund wird auch bald die Abgas-Affäre um Volkswagen auf die deutsche Industrie drücken. „Der erste Indikator, der mögliche Effekte der Abgasaffäre reflektieren könnte, wird das ifo Geschäftsklima für den Berichtsmonat Oktober sein“, so Volk zu den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Die Vermutung liegt sehr nahe, dass in erster Linie Firmen aus der Automobilbranche sowie aus dem Zulieferbereich schlechter gestimmt sein könnten. Interessant wird sein, zu sehen, inwieweit das makroökonomisch durchschlägt“. Und darüber hinaus wird sich dieser Sachverhalt für die deutsche Industrie auch wieder auf internationaler Ebene abspielen. Dies könnte die aktuellen Schwierigkeiten noch deutlich verschärfen.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...