Politik

„Islamischer Staat“ wird trotz Bomben zur Erdöl-Nation

Russland bombardiert Öl-Raffinerien des IS in Syrien. Doch die Terror-Miliz weicht dem aus, indem sie Alternativ-Raffinerien baut. Denn die Menschen in der Region stehen in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zum IS-Öl.
15.10.2015 23:54
Lesezeit: 2 min
„Islamischer Staat“ wird trotz Bomben zur Erdöl-Nation
Der IS kontrolliert in Syrien derzeit alle Ölfelder. (Screenshot)

Im vergangenen Jahr schätzten Rohstoff-Analysten die Einkommen des IS aus dem Ölverkauf auf täglich drei Millionen Dollar, berichtet CBS News. Der IS kontrolliert in Syrien derzeit 24 (also alle) Ölfelder, die sich ausschließlich im Osten des Landes befinden, meldet die Financial Times.

Im Irak steht die Rohölstadt Mossul unter der Kontrolle des IS. Die Miliz eroberte vorübergehend auch die Ölfelder Ajil und Allas, die sich nördlich der Stadt Kirkuk befinden. Gleich nach der Eroberung der Ölfelder entsendete der IS Techniker und Ingenieure, um den Verkauf des Öls vorzubereiten. „Sie waren auf alles vorbereitet und wurden sowohl von Finanz-Fachleuten als auch von Ingenieuren begleitet. Die Ingenieure wurden entsendet, um den operativen Prozess des Ölverkaufs durchzuführen. Hunderte LKWs aus Mossul und Kirkuk fuhren zu den Ölfeldern. Anschließend wurde das Öl extrahiert und exportiert“, zitiert die FT einen lokalen Vertreter aus der Nähe von Kirkuk.

Durchschnittlich 150 Lkw sollen täglich jeweils mit Öl im Wert von ungefähr 10.000 Dollar beladen worden sein. Beide Ölfelder verlor der IS im April an die irakische Armee. Doch in den sechs Monaten der Besatzung machte die Miliz einen Umsatz von 450 Millionen Dollar.

Die gesamte Region von Syrien bis in den West-Irak gerät in die energiepolitische Abhängigkeit durch den IS. Sogar die syrischen Rebellengruppen beziehen ihr Diesel und Benzin vom IS. „Der IS kann jederzeit unsere Diesel-Versorgung kappen. Der IS weiß, dass wir ohne die Lieferungen komplett am Ende wären“, sagte ein Öl-Händler aus Aleppo der FT. Nach Informationen eines weiteren Geschäftsmanns aus Aleppo profitiert die Miliz vor allem von der großen Öl-Nachfrage. „Jeder hier braucht Diesel: die Krankenhäuser, die Bauern, die Geschäfte und auch für die Wassergewinnung ist Diesel wichtig. Der IS weiß, dass das Öl eine Art Ass im Ärmel ist.“ Das Ölgeschäft mit dem IS lohnt sich für die Händler in der Region. „Wir kaufen eine 26 bis 28 Tonnen schwere Ladung an Öltanks für 4.200 Dollar. In Jordanien wird diese Menge für 15.000 Dollar weiterverkauft. Jeder Schmuggler erhält etwa acht Tanks pro Woche“, zitiert der Guardian den irakischen Ölschmuggler Sami Khalaf, der unter Saddam Hussein ein hochrangiger Geheimdienstoffizier war.

Besonders wichtige Ölfelder befinden sich in den syrischen Provinzen Rakka und Hassaka. Rakka gilt als die inoffizielle Hauptstadt des IS. Der Daily Express berichtet, dass Russland 150.000 Truppen nach Syrien entsenden wolle, um insbesondere Rakka einzunehmen. Moskau hat diese Meldung zwar nicht bestätigt, doch seit dem vergangenen Wochenende konzentrieren sich die russischen Luftschläge neben den Provinzen Hama und Idlib insbesondere auf Rakka. Die Militäroperationen zu Boden übernimmt das syrische Militär. An den Operationen nehmen auch Hisbollah-Milizen aus dem Libanon und Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde Pasdaran teil. Am Mittwoch wurden nach Informationen der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim zwei hochrangige iranische Generäle bei Gefechten gegen den IS in Syrien getötet.

Trotz der russischen Luftschläge und der von den USA angeführten „Anti-IS-Koalition“ verkauft der IS weiterhin täglich 40.000 Barrel Öl und macht einen täglichen Umsatz von einer Million Dollar, berichtet The Daily Mail. Die Mitglieder der Miliz weichen den Luftschlägen aus, indem sie alternative kleine Raffinerien schaffen, um mit der Ölproduktion fortzufahren und die große Nachfrage in der Region abzudecken.

Einerseits sind die syrischen Rebellen und die Bevölkerung weitgehend gegen den IS, doch andererseits sind sie auf das Öl des IS angewiesen. „Wir wissen nicht, ob wir weinen oder lachen sollen. Doch wir haben keine andere Wahl“, so ein syrischer Rebellen-Kommandeur.

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