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Schwerer Vorwurf: Fifa-WM 2006 in Deutschland soll gekauft worden sein

Lesezeit: 3 min
16.10.2015 22:34
Gegen den Deutschen Fußballbund werden schwere Vorwürfe laut: Er soll die Fifa-WM 2006 ("Sommermärchen") gekauft haben. Der DFB bestätigt "Ungereimtheiten" bei einer Millionenzahlung, will aber von gekauften Stimmen oder schwarzen Kassen nichts wissen.
Schwerer Vorwurf: Fifa-WM 2006 in Deutschland soll gekauft worden sein

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Joseph Blatter, Michel Platini und nun der deutsche Fußball: In den schier endlosen Korruptionsskandalen um die FIFA muss sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gegen den massiven Vorwurf wehren, die WM 2006 gekauft zu haben. Für den Zuschlag soll nach einem unbestätigten Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» Geld aus einer schwarzen Kasse des Bewerbungskomitees geflossen sein. Wie das Nachrichtenmagazin am Freitag ohne Nennung von Quellen berichtet, sollen vier entscheidende Stimmen aus dem FIFA-Exekutivkomitee gekauft worden sein. Der DFB wies diese Darstellung als haltlos zurück und behielt sich rechtliche Schritte vor.

Durch den hochbrisanten Bericht stehen der größte Sportfachverband der Welt, dessen Präsident Wolfgang Niersbach und auch Franz Beckenbauer, die bisher als Ratgeber und Nothelfer für den internationalen Fußball galten, plötzlich selbst im Fokus. «Dies sind sehr schwere Beschuldigungen», teilte die FIFA am Freitag mit und kündigte eine Untersuchung durch unabhängige interne Ermittler an.

Der DFB hatte am Freitag zunächst in einer Pressemitteilung Ungereimtheiten rund um eine Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband eingeräumt. Es habe aber keine Anhaltspunkte gegeben, «dass Stimmen von Delegierten im Zuge des Bewerbungsverfahrens gekauft wurden.» Präsident des WM-Organisationskomitees war damals Beckenbauer, Niersbach einer seiner Stellvertreter.

Später versandte der DFB noch ein kräftigeres Dementi. Die Schlussfolgerungen der «Spiegel»-Autoren seien «durch keinerlei Fakten» belegt. Es habe weder schwarze Kassen noch gekaufte Stimmen gegeben. «Mit aller Konsequenz hält der DFB deshalb nochmal ausdrücklich fest, dass dementsprechend weder der DFB-Präsident noch die anderen Mitglieder des Organisationskomitees in derartige Vorgänge involviert sein oder davon Kenntnis haben konnten», hieß es in der DFB-Mitteilung.

Nach «Spiegel»-Informationen soll der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus dem damaligen Bewerbungskomitee 13 Millionen Mark als Privatmann geliehen haben. Das Geld könnte dem Bericht zufolge eingesetzt worden sein, die vier Stimmen der asiatischen Vertreter im FIFA-Exko zu gewinnen. Zusammen mit den europäischen Vertretern war Deutschland bei der entscheidenden Abstimmung auf 12 Stimmen gekommen.

Auf Mitkonkurrent Südafrika entfielen damals 11 Stimmen. Der Neuseeländer Charles Dempsey hatte sich enthalten. Louis-Dreyfus starb im Jahr 2009. Adidas gab zunächst keine Stellungnahme ab.

Louis-Dreyfus soll laut «Spiegel» das Geld eineinhalb Jahre vor der WM zurückgefordert haben. Im April seien daraufhin 6,7 Millionen Euro vom Organisationskomitee an die FIFA gezahlt worden - angeblich für ein Kulturprogramm. Von dort sei es weiter an Louis-Dreyfus gegangen. Eine Zahlung, die der DFB einräumte und «die möglicherweise nicht dem angegebenen Zweck entsprechend verwendet wurde», wie der DFB mitteilte.

Das Management von Beckenbauer war auf dpa-Anfrage zu einer Stellungnahme nicht bereit. «Mir war von einer schwarzen Kasse nichts bekannt. Die Stimmen sind nicht gekauft worden», sagte Horst R. Schmidt, einer der Macher der WM 2006, dem TV-Sender Sky.

Wohin die Millionen tatsächlich geflossen sind, sei laut DFB noch unklar. Ein abschließendes Ergebnis liege nicht vor, teilte der Verband mit und will prüfen lassen, ob er gegebenenfalls Ansprüche auf eine Rückforderung des Geldes hat.

«Die Vorwürfe sollten rückhaltlos aufgeklärt werden. Die Fußballfans haben ein Recht darauf», forderte Justizminister Heiko Maas. Niersbach selbst hatte als amtierender DFB-Präsident interne Untersuchungen über Zahlungen eines Komitees in Auftrag gegeben, dem er seinerzeit als geschäftsführender Vizepräsident und Medienchef angehörte.

Nach Andeutungen von FIFA-Präsident Sepp Blatter, dass bei der Wahl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei, hatte Niersbach 2012 bei Sky Sport News von «komischen Nebelkerzen» gesprochen und sagte: «Wir haben da sauber gearbeitet».

Von den drei noch lebenden asiatischen Funktionären verweigerten zwei Vertreter auf «Spiegel»-Anfrage eine Stellungnahme. Der Südkoreaner Chung Mong-Joon sagte, die Fragen seien es nicht wert, beantwortet zu werden. Chung wurde jüngst von der FIFA-Ethikkommission für sechs Jahre gesperrt. Chung werden Verstöße im Zusammenhang mit Südkoreas gescheiterter Bewerbung für die WM 2022 vorgeworfen.

Beckenbauers langjähriger Vertrauter Niersbach war dieser Tage von verschiedenen Seiten als möglicher Platini-Nachfolger und sogar als künftiger FIFA-Präsident ins Gespräch gebracht worden. Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger hat derweil den kompletten Rücktritt des Exekutivkomitees der FIFA gefordert. Der skandalumwitterte Weltverband befinde sich «in der Hand der Staatsanwaltschaften und in der Hand des FBI», sagte Zwanziger dem «Spiegel» und betonte: «Die verbliebenen, nicht suspendierten Mitglieder des Exekutivkomitees müssen geschlossen zurücktreten.» Dazu zählt auch Zwanzigers Nachfolger als DFB-Chef und Exekutivmitglied, Niersbach.

Derweil ist der englische Fußball-Verband FA vom suspendierten UEFA-Boss Michel Platini bei dessen Kandidatur als FIFA-Präsident abgerückt. Zu diesem Schritt hätten neue Informationen aus der Krisensitzung der Europäischen Fußball-Union am Donnerstag in Nyon geführt, teilte die Football Association auf ihrer Homepage mit. Als Ergebnis dieser Erkenntnisse habe das FA-Board beschlossen, dass der Verband die FIFA-Kandidatur Platinis so lange nicht mehr unterstützt, «bis der rechtliche Prozess abgeschlossen und die Position klar ist».

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