Politik

Transfer-Union: Italien fordert europäisches Arbeitslosengeld

Lesezeit: 1 min
22.10.2015 23:15
Italiens Finanzminister schlägt vor, ein gemeinsames Arbeitslosengeld für die gesamte EU einzuführen. Das Budget soll aus „europäischen Gemeinschaftskassen“ stammen. Das Argument: Mit dieser Maßnahme könnten Konjunkturschocks besser bewältigt werden.
Transfer-Union: Italien fordert europäisches Arbeitslosengeld

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die Idee einer gemeinsamen Arbeitslosenunterstützung im Euroraum ist nicht neu. Bereits im Herbst 2013 wurde sie vom damaligen französischen Finanzminister und heutigem EU-Währungskommissar Moscovici gefordert. „Der Euro ist eine asymmetrische Konstruktion“, betonte er damals auf einem Kongress und plädierte für eine „Budget-Union“. Man benötige die Gründung eines „starken supranationalen Haushalts“, woraus dann ein Teil der Arbeitslosenunterstützung finanziert werden könne.

Auch aus Brüssel sind solcherart Pläne bekannt. Im August letzten Jahres forderte EU-Sozialkommissar Lazlo Andor mehr Transferzahlungen innerhalb der Eurozone. Bezogen auf eine gemeinsame europäische Arbeitslosenversicherung sagte er, diese würde nur Kernaufgaben übernehmen. Das europäische Arbeitslosengeld würde gewissermaßen 40 Prozent des zuletzt bezogenen Einkommens ausmachen und nach einem halben Jahr beendet sein.

Andors Argument: Früher hätten die Länder sich selbst helfen können und bei Konjunkturschwankungen die eigene Währung abgewertet. Bei einer gemeinsamen Währung sei dies jedoch ausgeschlossen; man müsse daher andere Wege beschreiten. Die Transfers zum gemeinsamen Arbeitslosengeld sollten aus den Steuern der einzelnen Mitgliedsländer subventioniert werden.

Nun legt Italiens Regierung nach. Finanzminister Padoan schlägt vor, ein gemeinsames Arbeitslosengeld für die gesamte Europäische Union einzuführen. Europäische Bürger, die arbeitslos werden, sollten nach Padoans Auffassung bis zu acht Monate lang 40 bis 50 Prozent des letzten Gehalts als Arbeitslosenunterstützung erhalten.

Gespeist würden nach seiner Vorstellung die dafür nötigen Finanzmittel aus „europäischen Gemeinschaftskassen“. Mit dieser Maßnahme könnten Konjunkturschocks besser bewältigt werden. Es läge nur am politischen Willen, dann könnten umgehend solche gemeinsamen Arbeitslosengelder eingeführt werden, betonte Padoan. Um dies zu erreichen müssten keine Verträge geändert werden.

Bisher argumentierten Volkswirte, solche Arbeitslosenkassen würde den Staaten mit hohen Arbeitslosenquoten die Motivation nehmen, Reformen für mehr Arbeitsplätze umzusetzen. Italien ist dagegen der Auffassung, in Phasen von konjunkturellen Abschwüngen könne eine solche Maßnahme Unterstützung für den strukturellen Aufbau sein und somit die Wirtschaft wiederum kurzfristig beleben.

Italien kämpft derzeit mit einer offiziellen Arbeitslosenquote von 11,9. Sie ist derzeit etwa doppelt so hoch, wie die offizielle Statistik für Deutschland mit 6,2 Prozent ausweist (Stand Juni 2015).

Für Arbeitslose und arme Menschen gibt es in Italien keine geordneten Zahlungssysteme. Dagegen wurden bislang die finanziellen Mittel aus anderen Sozialkassen angezapft. Etwa durch langjährige Kurzarbeitergelder für entlassenes Personal aus Großbetrieben oder Konzernen oder Frühverrentungen. Da diese staatlichen Sozialleistungen neuerdings zusammengestrichen wurden, ist eine umfassende Arbeitslosenversicherung eingeführt worden. Diese reicht aktuell zwischen zehn bis 16 Monate höchstens 900 Euro pro Monat an die Arbeitslosen aus. Finanziert werden die Leistungen jedoch von den allgemeinen Sozial- und Rentenkassen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...