Politik

Drei-Prozent-Hürde: EU will kleine Parteien aus dem Parlament drängen

Das EU-Parlament stimmt diese Woche über ein neues EU-Wahlrecht ab. Laut Entwurf soll europaweit die Drei-Prozent-Hürde eingeführt werden. Splitter- und Kleinstparteien würde so verhindert werden. Diese führen zur „Destabilisierung“ des Parlaments warnen Vertreter der großen Parteien.
10.11.2015 00:00
Lesezeit: 1 min

Es gibt aktuell sieben deutsche EU-Abgeordnete, die ihren Sitz im EU-Parlament unter anderem dem Bundesverfassungsgericht verdanken. Dies hatte kurz vor der Europawahl 2014 die Drei-Prozent-Hürde gekippt.

Viele EU-Parlamentarier aber stören sich an Vertretern von Splitterparteien. Sie wollen eine EU-weite Hürde von drei Prozent durchsetzen. Über eine entsprechende Vorlage für ein EU-Wahlrecht soll das Parlament am kommenden Mittwoch in Brüssel abstimmen.

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem umstrittenen Urteil darauf hingewiesen, dass es bisher keine EU-weit festgeschriebene Mindestschwelle gebe, sagt der SPD-Abgeordnete Jo Leinen, der die Vorlage erarbeitet hat. Mit diesem Hinweis hätten die Karlsruher Richter eine „Tür offengehalten“.

Die Aufsplitterung führe zu einer „Destabilisierung“ des Parlaments, warnt Leinen. Die Arbeit der EU-Volksvertretung werde ohnehin schon durch die Rechtsextremen und Euroskeptiker aller Couleur behindert, die fast ein Fünftel der 751 Abgeordneten ausmachten. „Wir brauchen eine Lösung“, sagt auch der CDU-Abgeordnete Herbert Reul. Ohne eine Schwelle von mindestens drei Prozent drohe eine weitere Zersplitterung, die Handlungsfreiheit des Parlaments werde zunehmend eingeschränkt.

Wegen des Wegfalls der Schwelle sei etwa der wegen Volksverhetzung vorbestrafte NPD-Politiker Voigt gewählt worden, sagt der FDP-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. „Wollen wir zulassen, dass Neo-Nazis Deutschland im Europaparlament vertreten?“

Ulrike Müller von den Freien Wählern in Bayern sieht das anders. Sie habe 428.000 Wählerstimmen erhalten – Malta habe hingegen nur 425.000 Einwohner und entsende sechs Abgeordnete ins Europaparlament, sagte Müller.

Tatsächlich ist es so, dass die großen Parteien in den vergangenen Jahren massiv gemeinsam abgestimmt habenvon einer Zersplitterung kann demnach keine Rede sein, eher von einer monolithischen Blockbildung in Richtung Einheitspartei.

Leinen rechnet damit, dass sein Gesetzentwurf am Mittwoch eine deutliche Mehrheit findet. Ziel ist es, vor der nächsten Europawahl 2019 ein einheitliches EU-Wahlrecht einzuführen, das eigentlich bereits in den Römischen Gründungsverträgen vorgesehen war, bisher aber nie zustandekam.

In dem Gesetz soll unter anderem das Prinzip verankert werden, dass die Spitzenkandidaten der europäischen Parteien künftig grundsätzlich auch deren Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten sind. Dies hatte das Parlament erstmals nach der Wahl 2014 durchgesetzt – mit der Ernennung des Spitzenkandidaten der Konservativen, Jean-Claude Juncker, an die Spitze der Brüsseler Exekutive.

Die Entscheidung über ein einheitliches EU-Wahlrecht liegt beim Rat, in dem die 28 Mitgliedsländer vertreten sind. Das Europaparlament hat jedoch ein Vetorecht. Werden sich beide Seiten nicht einig, bleibt alles beim Alten – und dann würde jedes Land auch in Zukunft seine eigenen Regeln für die Europawahl festlegen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama Datenschutz und Oktoberfest - was sich im September ändert
16.08.2025

Die Tage werden kürzer und der Herbst naht im September. Welche Neuerungen bringt der neue Monat für Verbraucherinnen und Verbraucher?...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Business Angels sind keine Almosen-Geber: So knackt man sie trotzdem
16.08.2025

Sie heißen Engel, aber verschenken nichts: Warum Business Angels für Start-ups goldwert sind – und wieso Gründer trotzdem mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 150 Jahre ohne Steuerprüfung? Personalmangel bremst Steuerkontrollen in Deutschland aus
16.08.2025

In Deutschland können Kleinstbetriebe statistisch gesehen 150 Jahre lang einer Steuerprüfung entgehen – während dem Staat Milliarden...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Bahn: Vor diesen Herausforderungen steht der künftige Bahn-Chef
16.08.2025

Richard Lutz muss seinen Posten als Bahnchef räumen - und übergibt dabei zahlreiche Probleme an seinen Nachfolger. Kann der erfolgreicher...

DWN
Technologie
Technologie Laser gegen Putins Drohnen: Europas Hightech-Antwort auf den Krieg
16.08.2025

Während russische Drohnen den Himmel über Europa testen, setzen die Ukraine und die EU auf eine futuristische Waffe: Laser, die für...

DWN
Finanzen
Finanzen Europas Bankenaufsicht warnt: Drei Risiken können das Finanzsystem erschüttern
16.08.2025

Er führt Europas Bankenaufsicht – und sieht drei Gefahren, die selbst starke Institute ins Wanken bringen könnten: geopolitische...

DWN
Politik
Politik Spitzbergen: Russland hat 100 Jahre nach dem Spitzbergen-Vertrag die Arktis genau im Blick
15.08.2025

Vor 100 Jahren wurde der Spitzbergen-Vertrag unterzeichnet – ein Abkommen mit besonderer geopolitischer Brisanz. Heute sorgen Norwegen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Finanzministerium will private Investitionen erleichtern
15.08.2025

Das Finanzministerium plant Änderungen, die private Investitionen in Deutschland attraktiver machen sollen. Doch reichen neue Gesetze und...