Politik

Spanien: Arbeitslose verschwinden vor der Wahl aus der Statistik

Die Regierung Rajoy meldet kurz vor der Parlamentswahl einen Rekord-Rückgang der Arbeitslosenzahlen. Der genaue Blick auf die Statistik zeigt jedoch, dass die verschwundenen Arbeitslosen ausgewandert sind oder sich aus Not selbstständig machten: De facto sind heute weniger Spanier sozialversicherungspflichtig beschäftigt als zu Rajoys Amtsantritt. Lediglich die Zahl der Saisonarbeiter und der als Hausmädchen beschäftigten stieg deutlich.
03.12.2015 23:28
Lesezeit: 2 min

Die Zahl der Arbeitslosen in Spanien sank im November um 27.071 auf 4,15 Millionen, wie aktuelle Zahlen des Arbeitsministeriums in Madrid zeigen. Während die Arbeitslosenquote in zehn Regionen sank, stieg sie jedoch in sieben weiteren Regionen an. Die spanische Regierung spricht - wenige Wochen vor der Wahl - von einem Rekord-Rückgang. Ein solcher sei  in Spanien jedoch schnell verbucht, da man von einer Rekordhöhe aus startet, merkt  die Zeitung el País an.

Unter Rajoy sei die Arbeitslosigkeit derart hoch gestiegen, dass selbst ein großer Rückgang noch lange keine gute Nachricht sein muss.  El Diario schreibt sogar, es handele sich bei den „bescheidenen Zahlen“ um einen Tropfen im Meer der 4,15 Millionen registrierten Arbeitslosen, mit denen der Präsident seine Legislaturperiode beendet.“ Die Arbeitslosenquote in Spanien liegt immernoch bei über 21 Prozent und damit rund doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Euro-Zone. Insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit betrifft immer noch 47 Prozent der unter 25-Jährigen und damit fast jeden zweien jungen Spanier.

Zudem spiegelt sich der Rückgang der Arbeitslosen um 27.071 im November nicht in der nur um 1.620 Personen gestiegenen Zahl der Beitragszahler in die Sozialversicherung wieder. „Für diese Lücke zwischen der Reduzierung der Arbeitslosigkeit und dem Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten macht man gemeinhin verschiedene Umstände verantwortlich wie etwa den Gang in die Schatten-Wirtschaft oder eine Abwanderung der aktiven Bevölkerung“, so El Diario. Die Mehrheit der aus der Statistik verschwundenen Arbeitslosen habe demnach keine Arbeit gefunden, sondern gehört nur nicht mehr zu der Masse der „aktiven Bevölkerung“, weil sie das Land verlassen hat, in Rente gegangen ist oder die Arbeitssuche resigniert aufgegeben hat.

Diese Abwanderung betrifft insbesondere die Ausländer, die einst auf Jobsuche ins Land kamen und nun weiterwandern: Die Zahl der als arbeitslos registrierten Ausländer hat sich nach offiziellen Zahlen von über zwei Millionen im Jahr 2011 auf weniger als 500.000 Personen im Jahr 2015 reduziert. 150.000 arbeitslose Ausländer weniger machen mehr als die Hälfte der insgesamt 270.00 Arbeitslosen weniger in diesem Zeitraum in Spanien aus.

Neue Beschäftigte seien laut November-Zahlen besonders im Bildungssektor, Baugewerbe und im Einzelhandel eingestellt worden, letztere vor allem als Vorbereitung auf die Weihnachtssaison. Dies deutet darauf hin, dass es sich um temporäre Aushilfskräfte handelt, die nach Weihnachten wieder entlassen werden. Der Trend zur Saisonarbeit deckt sich mit der Bericht der Statistikbehörde vom vergangenen Trimester: Demnach macht eine wachsende Zahl zeitlich befristeter Arbeitsverträge drei von vier neu geschaffenen Jobs aus und  insgesamt macht die zeitlich befristete Arbeit – oftmals nur auf Wochen oder Monate ausgelegt –bereits mehr als ein Viertel der Beschäftigung in Spanien aus.

Zudem haben sich den Zahlen zufolge viele Arbeitslose selbstständig gemacht und fallen als Unternehmer damit ebenfalls aus der Statistik, wie die spanische Zeitung el Diario berichtet. Im Vergleich seien heute mehr Spanier selbstständig als vor Rajoys Amtsantritt und weniger abhängig beschäftigt. Besonders interessant ist hierbei die Entwicklung einer speziellen Dienstleistung: Obwohl die Zahl der abhängig Beschäftigten insgesamt in den vergangenen vier Jahre fiel, stieg die Zahl der Dienstmädchen deutlich um 100.000 Personen, hebt el Diario hervor. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass sich die Zahl der wohlhabenden Spanier, die sich ein Hausmädchen oder eine Putzhilfe leisten, während der Krise ebenfalls anstieg.

Insgesamt hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten während der Amtszeit der Rajoy-Regierung jedoch nicht vergrößert, sondern seit Amtsantritt 2011 sogar noch um 0,1 Prozent reduziert auf 17.223.086 Personen. De facto fällt die Bilanz von Rajoys Amtszeit damit eher ernüchternd aus: Nach vier Jahren sind viele junge Arbeitslose ausgewandert und es gibt rund 25.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte weniger in Spanien.

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