Politik

Vor Syrien-Einsatz: Militärische Interventionen fachen die Barbarei an

Lesezeit: 3 min
04.12.2015 01:42
Der Einsatz der Bundeswehr in Syrien wird keinen Frieden bringen: Wo immer ausländische Mächte interveniert haben, ist es zu jahrelangen Verwüstungen gekommen. Denn mit jedem Schuss und mit jeder Lüge wird neuer Hass gesät. Am Ende kann niemand mehr vermitteln. Denn Waffen sprechen nicht, sie töten.
Vor Syrien-Einsatz: Militärische Interventionen fachen die Barbarei an
Das neue Buch von Michael Maier. (Foto: FBV)

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Der Bundestag hat am Freitag mit großer Mehrheit eine Beteiligung der Bundeswehr in Syrien beschlossen. Für das Mandat votierten 445 Abgeordnete, dagegen waren 146. Es gab zudem sieben Enthaltungen. Damit kann die Bundesregierung sagen, nicht untätig geblieben zu sein. Doch was kann sie in diesem Konflikt erreichen?

Ein Blick auf den Bruder-Krieg zwischen den Kurden zeigt, dass jede einzelne Bombe den Hass vergrößern wird. Wie Afghanistan, das heute nach Jahren des Einsatzes von Ausländern ein zerstörtes Land ist, besteht auch in Syrien und Irak die Gefahr, dass die alten Kulturvölker in die Barbarei zurückfallen werden.

So haben nun die von den USA, Deutschland und der Türkei unterstützten Kurden des Nordirak Partei für die Regierung in Ankara ergriffen. Die Autonome Region Kurdistans (KRG) weist die russischen Vorwürfe gegen die Türkei, wonach die Regierung in Ankara Ölhandel mit dem IS über Syrien betreibt, zurück. Die russischen Aufnahmen würden den Handel zwischen dem Nordirak und der Türkei und nicht den Ölhandel zwischen dem IS in Syrien und Türkei nachweisen. „Die Satellitenfotos zeigen, wie Öltanker vom Nordirak aus in die türkische Hafenstadt Ceyhan fahren“, so der Vorsitzende der Energiekommission der KRG, Sharko Jawdat.

Die regierungskritische, russische Zeitung Lenta.ru zitiert den kurdischen KRG-Sprecher Safin Dizai: „Wir sind sehr betrübt über die Aussagen von Russland. Diese entsprechen schlichtweg nicht der Wahrheit. Der Ölhandel mit der Türkei wird über eine Pipeline abgewickelt. Ein Teil unseres Öls gelangt mit Öltankern in die Türkei. Es ist unglaublich, dass Russland glaubt, die Peschmerga seien in den Ölhandel mit dem IS verwickelt. Denn das geht aus den Aussagen hervor.“

Die kurdische KRG-Regierung im Nordirak ist sowohl für die USA als auch für die Türkei der engste Verbündete in der Region. Die KRG wird auch von Militärberatern und den Geheimdiensten unterstützt.

Die PKK kämpft hingegen sowohl gegen die KRG als auch gegen die Regierung Erdogan. Sie wirft der KRG-Regierung aufgrund ihrer Kooperation mit der Türkei Verrat am kurdischen Volk vor. Die PKK ist mit der kurdischen YPG in Syrien verbündet, die dort auch im sozialen Bereich eine wichtige Rolle spielt.

Eine unabhängige Überprüfung der Aussagen der Regierung in Moskau ist schwer möglich. In der Regel werden in Kriegszeiten militärisch sensible Darstellungen von den Geheimdiensten aufbereitet. Auch die Angaben der KRG sind nicht zu überprüfen.

Der Streit um die Bilder zeigt, dass die Spaltung der Kurden kaum noch zu überwinden ist. Damit ist der Keim für eine Fortsetzung des Konflikts gelegt. Die Entsendung der Bundeswehr in das Kriegsgebiet wird nicht dazu beitragen, dass es zu einer Aussöhnung unter den Kurden kommt. Auch die russischen Luftangriffe haben die Gräben zwischen den regionalen Konfliktparteien vertieft.

Im Irak zeigt sich ebenfalls, wie schädlich sich militärische Interventionen von fremden Mächten auf die Region auswirken: Die Washington Post berichtet, dass viele Iraker der Auffassung sind, dass die USA mit dem IS verbündet sind. Die Zeitung zitiert Stimmen, die sagen, dass der IS längst am Ende wäre, wenn er nicht von den USA gestützt würde. Man traut den Amerikanern nach so vielen Jahren der Militär-Präsenz nicht mehr zu, dass sie Teil eines zivilen Neuaufbaus sein könnten.

Die Washington Post berichtet in einem anderen, erschütternden Artikel über Afghanistan, wo sich das ganze Dilemma darin manifestiert, dass nach dem Abzug der regulären US-Truppen eine „Schatten-Armee“ der CIA mit einer brutalen afghanischen Miliz kooperiert. Die CIA ist nicht zur Beachtung der Menschenrechte verpflichtet, schreibt die Zeitung, und berichtet von brutalen Morden an der Zivilbevölkerung durch die unheilige Allianz.

Solches wird man vielleicht auch in einigen Jahren im Nahen Osten beobachten, weil jetzt kaum noch eine westliche Nation nicht in irgendeiner Weise verstrickt und daher für die andere Seite suspekt ist. Frieden kann nicht mit Waffen geschaffen werden. Denn sie sprechen nicht, sondern töten.

***

DWN-Herausgeber Michael Maier beschreibt in seinem neuen Buch die fatale Entwicklung, dass Groß- und Regionalmächte mittlerweile keine Hemmungen mehr haben, mit Söldner-Truppen auf fremden Territorien aufzumarschieren. Sie verfolgen geopolitische Ziele oder wollen sich den Zugang zu Rohstoffen sichern. Diese verdeckten Kriege werden zu Lasten der einheimischen Bevölkerung geführt - deren Vertreibung die logische Folge und meist der letzte Hoffnungsschimmer für viele ist.

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