Politik

Eskalation: Krieg zwischen der Türkei und dem Irak ist möglich

Im Nordirak spitzt sich die Lage weiter zu: Der türkische Präsident Erdogan präsentiert sich in einem Interview als Schutzmacht für die Sunniten im Irak. Die Türkei flog erneut massive Luftschläge gegen den Irak. Zugleich rief er alle türkischen Staatsbürger auf, den Nordirak zu verlassen.
10.12.2015 01:23
Lesezeit: 3 min
Eskalation: Krieg zwischen der Türkei und dem Irak ist möglich
Das neue Buch von Michael Maier. (Foto: FBV)

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Spannungen zwischen der Türkei und dem Irak könnten schon bald eine neue Front im Nahen Osten eröffnen: Ein Krieg zwischen diesen beiden Staaten ist nicht mehr auszuschließen. Darauf deutet Aussagen und Taten des türkischen Präsidenten hin: Recep Tayyip Erdogan hat der Regierung in Bagdad am Mittwoch in einem Interview mit Al Jazeera vorgeworfen, die Sunniten im Norden des Landes nicht zu schützen. Er sagte: „Die Bürger im Nordirak haben vor langer Zeit ihre Rechte verloren. Sie müssen ihre Rechte wiederbekommen. Viele Araber haben ihre Rechte verloren. Leider sehen wie keine faire Regierung im Irak. Das macht vielen Leuten Sorgen.“ Erdogan sagte, der Irak und der Iran hätten radikale Sekten in Syrien unterstützt.

Einen vollständigen Rückzug ihrer Truppen aus dem Irak lehnt die Regierung in Ankara ab. Die Türkei war am Wochenende einmarschiert. Auf Geheiß von US-Präsident Obama haben die Türken dann einen Teil ihrer Truppen zurückgezogen. Die Entsendung von türkischen Truppen und Panzern in die irakische Provinz Mossul war auf wütende Proteste des Irak gestoßen. Nach türkischen Angaben sind bereits seit März Ausbilder in der Region im Einsatz, um irakische Milizionäre für den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu trainieren, die weite Teile des Nordens und Westens des Irak kontrollieren. Die Regierung in Bagdad spricht aber von einer „Invasion“ und fordert den Rückzug der Truppen aus der Gegend Baschika, weil sie ohne ihre Zustimmung ins Land gekommen seien.

Doch offenkundig verfolgt Erdogan eine weitergehende Agenda, die sich mit den Interessen der US-Militärs und der Nato decken könnten: Die Türkei wird als Nato-Posten versuchen, die Schwäche des Irak zu nutzen. Die Regierung in Bagdad hat einen erstaunlichen Schwenk in Richtung Russland vollzogen. Dies wird von den US-Neocons mit großer Sorge gesehen.

Daher agiert die Türkei auch militärisch: Türkische Kampfflugzeuge haben am Mittwoch erneut Luftangriffe im Nordirak gefolgen – angeblich gegen Stellungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Mehrere Ziele seien bei den Luftangriffen in der Nacht zu Mittwoch zerstört worden, teilte die Armee mit. Ein PKK-Sprecher im Irak sagte, die rund einstündigen nächtlichen Angriffe hätten sich gegen drei Dörfer gerichtet, doch seien keine Mitglieder der Guerillagruppe getötet worden. Ein kurdischer Verwaltungsbeamter bestätigte dies, doch wurden seinen Angaben zufolge Wasser- und Elektrizitätsleitungen beschädigt.

Bei einem separaten Vorfall im Bezirk Sur der Provinz Diyarbakir wurde ein türkischer Polizist von einem Heckenschützen erschossen, während er einen Sprengsatz zu entschärfen versuchte, wie aus Sicherheitskreisen verlautete.

Wie sehr sich die Lage zuspitzen könnten, kann aus Appell Ankaras an die Türken im Irak abgelesen werden, in dem Ankara seine Bürger zum Verlassen der arabischen Landesteile aufruft. Das türkische Außenministerium forderte am Mittwoch die türkischen Staatsangehörigen auf, alle irakischen Provinzen zu meiden mit Ausnahme von Dahuk, Erbil und Suleimanije, die in der autonomen Kurdenregion im Norden liegen. Das Ministerium begründete dies mit der jüngsten Zunahme von Drohungen gegen türkische Unternehmen und Aufrufen zu „Gewalt, Terror und Entführungen“.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte am Mittwoch, die Truppen seien zum Schutz der in der Region aktiven Militärausbilder ins Land geschickt worden. „Es ist kein Akt der Aggression, sondern ein Akt der Solidarität“, sagte Davutoglu. Angesichts der irakischen Reaktion sei die Aufstockung der Truppen aber gestoppt worden. Davutoglu sollte am Abend auch den irakischen Kurdenführer Massud Barsani treffen, der zu einem Besuch in Ankara war. Barsani sprach dort bereits mit Geheimdienstchef Hakan Fidan sowie Präsident Erdogan.

***

Die Mechanismen, die aus einem Konflikt wie dem zwischen dem Irak und der Türkei einen Krieg werden lassen, hat DWN-Herausgeber Michael Maier in seinem neuen Buch erklärt: Wie bei fast allen Konflikten werden geopolitische Interessen auf allen Ebenen mit äußerster Brutalität durchgesetzt. Die deutschen Interessen werden von der Bundesregierung nicht im gebotenen Maß vertreten - weshalb Deutschland von den Flüchtlingen bis zum Einsatz der Bundeswehr alle Folge mittragen muss, die sich auf den von anderen geführten Kriegen ergeben.

Michael Maier: „Das Ende der Behaglichkeit. Wie die modernen Kriege Deutschland und Europa verändern“. FinanzBuch Verlag München, 228 Seiten, 19,99€.

Bestellen Sie das Buch hier direkt beim Verlag.

Oder kaufen Sie es im guten deutschen Buchhandel das Buch ist überall erhältlich. Wir unterstützen den Buchhandel ausdrücklich, er muss gefördert werden!

Oder bestellen Sie das Buch bei Amazon. Mit einem Kauf unterstützen Sie die Unabhängigkeit der Deutschen Wirtschafts Nachrichten. 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Arbeitsmarkt: Top-Berufe, die es vor 20 Jahren noch nicht gab
31.03.2025

Eine Studie von LinkedIn zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) neue Jobs und Fähigkeiten schafft, Karrieren und Arbeitswelt verändert:...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Kurs knickt nach Orcel-Aussage deutlich ein
31.03.2025

Die Commerzbank-Aktie muss nach einer starken Rallye einen Rückschlag hinnehmen. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte zuvor einen möglichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU vor Herausforderungen: Handelskriege könnten die Wirtschaft belasten – der Ausweg heißt Binnenmarkt
31.03.2025

Die protektionistischen Maßnahmen der USA und mögliche Handelskonflikte belasten die EU-Wirtschaft. Experten wie Mario Draghi fordern...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betonblock: Lego verklagt Hersteller von Anti-Terror-Betonklötzen
31.03.2025

Lego verklagt das niederländische Unternehmen Betonblock. Die Anti-Terror-Blöcke des Herstellers erinnerten zu sehr an die...

DWN
Technologie
Technologie Neue EU-Vorschriften: Plug-in-Hybriden drohen deutlich höhere CO2-Emissionen
31.03.2025

Mit der Einführung neuer, verschärfter Emissionsmessungen für Plug-in-Hybride (PHEVs) wird die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge erheblich...

DWN
Politik
Politik Marine Le Pen wegen Veruntreuung zu Fußfesseln verurteilt - FN-Chef Bardella: "Hinrichtung der französischen Demokratie"
31.03.2025

Marine Le Pen wurde in Paris wegen der mutmaßlichen Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen - das...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerk mit Speicher: Für wen sich die Investition wirklich lohnt
31.03.2025

Balkonkraftwerk mit Speicher: eigenen Strom gewinnen, speichern und so Geld sparen. Doch so einfach ist es leider nicht, zumindest nicht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Der Handelskrieg gefährdet die US-Ausnahmestellung
31.03.2025

Da Investitionen nach neuen Möglichkeiten abseits der zuletzt florierenden US-Finanzmärkte suchen, wird an der Wall Street diskutiert, ob...