Finanzen

Goldman Sachs: Ölpreis kann unter 20-Dollar-Marke fallen

Lesezeit: 2 min
15.12.2015 10:51
Der Kampf der Förderländer um Marktanteile treibt den Ölpreis von einem Tief zum nächsten. Die OPEC-Staaten fluten den Weltmarkt mit Öl, um Konkurrenten mit höheren Förderkosten aus dem Markt zu drängen. Goldman Sachs warnt, dass der Ölpreis der Sorte WTI auf unter 20 Dollar fallen könnte.
Goldman Sachs: Ölpreis kann unter 20-Dollar-Marke fallen
Die Ölsorte WTI im Jahresverlauf. (Grafik: ariva.de)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Experten von Goldman Sachs erwarten, dass der Preis für die US-Ölsorte WTI 2016 unter 20-Dollar-Marke je Barrel (159 Liter) fallen könnte. „Bei einem milden Winter, einem langsameren Wachstum in den Schwellenländern und der potenziellen Aufhebung der Iran-Sanktionen könnten die Lagerbestände weiter steigen“, warnen sie. Goldman-Analysten lagen bei ihren Preis-Prognosen häufig richtig. Die US-Großbank ist ein großer Player im Handel mit Erdöl.

Aktuell kosten WTI und die richtungsweisende Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee mit rund 35 und etwa 37 Dollar so wenig wie zuletzt vor sieben Jahren. Mitte 2014 hatten beide noch oberhalb der 100-Dollar-Marke gelegen.

Mit ihrer Ölpreis-Prognose liegen die Goldman-Analysten aber weit weg von der Mehrheitsmeinung. Im Schnitt sehen die von Reuters befragte Analysten den Brent-Preis im kommenden Jahr bei 57,90 Dollar und WTI bei 52,80 Dollar. Stefan Kreuzkamp, Chefstratege bei der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank (AWM), begründet seine Erwartung eines anziehenden Ölpreises mit der rückläufigen Förderung von Schieferöl in den USA. Ähnlich argumentieren die Experten der Commerzbank, die gegen Jahresende 2016 einen Brent-Preis von 63 Dollar vorhersagen.

Weil die Zahl der aktiven Bohrlöcher in den USA seit Oktober 2014 um zwei Drittel gesunken sei, dürfte die globale Ölproduktion im kommenden Jahr trotz eines größeren Angebots aus dem Iran nicht mehr steigen. Weltweit wurden dem Ölindustrie-Dienstleister Baker Hughes zufolge bis November knapp die Hälfte aller Bohrungen stillgelegt.

Dieser Einschätzung widerspricht die Internationale Energieagentur (IEA). Deren Experten gehen davon aus, dass die OPEC-Staaten ihre Ölförderung 2016 um 1,6 auf 31,3 Millionen Barrel pro Tag steigern. Gleichzeitig werde die Fördermenge der nicht im Kartell vertretenen Länder nur um 600.000 Barrel zurückgehen. Daher werde trotz der rückläufigen Fördermengen in den USA das Angebot die Nachfrage noch bis mindestens Ende 2016 übersteigen.

Ein Grund für das weltweite Überangebot an Rohöl ist der Schieferöl-Boom in den USA. Dabei wird der Rohstoff mit Hilfe des umstrittenen Fracking-Verfahrens unter hohem technischen und finanziellen Aufwand aus dem Gestein gelöst. Einige OPEC-Staaten wie Saudi-Arabien wollen aber anders als in früheren Jahrzehnten die Preise nicht mit Förderkürzungen stabilisieren. Sie fahren stattdessen die Produktion hoch und gewähren Kunden Rabatte, um ihre Marktanteile zu verteidigen und Konkurrenten mit höheren Förderkosten aus dem Markt zu drängen. Anfang Dezember betonte das Kartell, an dieser Politik festzuhalten und den Weltmarkt weiter mit Öl zu fluten.

Dem Sog des Ölpreis-Verfalls können sich andere Energieträger wie Erdgas nicht entziehen. Der US-Terminkontrakt notiert mit 1,89 Dollar je Millionen BTU auf einem 14-Jahres-Tief. Kohle ist mit 44 Dollar je Tonne so billig wie zuletzt vor gut zwölf Jahren. Der Preis für eine Megawattstunde Strom kostet an der Strombörse EEX mit 27,85 Euro so wenig wie noch nie.

Den Rohstoff-Konzernen macht dieser Preisverfall schwer zu schaffen. Allein der Börsenwert der Ölförderer schrumpfte in den vergangenen eineinhalb Jahren um insgesamt mehr als eine Billion Dollar. Das entspricht in etwa der aktuellen Marktkapitalisierung der 30 Dax-Werte und übersteigt die jährliche Wirtschaftsleistung der Niederlande.

Die rückläufigen Energiepreise dämpfen außerdem die Inflation. Dies zwingt die Europäische Zentralbank (EZB) dazu, mit immer neuen Geldspritzen die Teuerungsrate in Richtung ihrer Zielmarke von knapp zwei Prozent zu treiben. Sonst droht die sogenannte Deflation, eine Spirale fallender Preise und rückläufiger Investitionen.

Der Ölpreis-Verfall sei aber auch ein Konjunkturprogramm, betont Elga Bartsch, Chefvolkswirtin von Morgan Stanley. Unternehmen bleibe schließlich mehr Spielraum für Investitionen und Verbrauchern mehr Geld für den Konsum. „Das wird 2016 so bleiben.“ Auf 13,5 Milliarden Euro beziffert Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes in der „Bild am Sonntag“ die Ersparnis für die deutschen Verbraucher im laufenden Jahr. 2016 werden wohl weitere Milliarden hinzukommen: Der Dieselpreis ist an vielen Tankstellen wieder unter die Marke von einem Euro gerutscht.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Sicher beschaffen in Krisenzeiten

Die Auswirkungen von Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg und damit verbundene Versorgungsengpässe stellen auch den...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Chemiebranche enttäuscht: Energiekosten bleiben hoch
27.09.2023

Die Bundesregierung hat der Chemiebranche in einem Spitzengespräch am Mittwoch Unterstützung zugesichert. Doch Maßnahmen zur Senkung der...

DWN
Politik
Politik Abgang eines Vordenkers - die CDU zerlegt sich in der AfD-Debatte
27.09.2023

Mit dem Rücktritt des Chefs ihrer Grundwertekommission, dem Historiker Andreas Rödder, ist das Debakel in der CDU nicht mehr zu...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Melonis Italien wird zur Gefahr für Europas Finanzsystem
27.09.2023

Weithin unbemerkt steuert Italien unter seiner Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf eine neue Finanzkrise zu. Die Reformen, die Italien...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB droht den Banken die Daumenschraube anzuziehen
27.09.2023

EZB-Ratsmitglied Holzmann schlägt eine Verzehnfachung der Mindestreserve vor. Den Banken drohen Kosten in Milliardenhöhe, die sie an die...

DWN
Politik
Politik Bayern soll Gas aus Italien geliefert bekommen
27.09.2023

Bayern kann mit Gas-Lieferungen aus Italien rechnen. Mit der neu entstehenden Pipeline "Adriatic Line" wird eine Alternative zu Russland...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutscher Arbeitsmarkt im Strudel der schwachen Konjunktur
27.09.2023

Wegen der schwachen Konjunktur fehlen die Aufträge. Die Bereitschaft der Unternehmen, neue Mitarbeiter einzustellen, liegt daher auf dem...

DWN
Politik
Politik KfW-Studie: Mittelstand kommt mit teurer Energie gut klar
27.09.2023

Der deutsche Mittelstand hat die hohen Energiepreise gut verkraftet, so eine Studie der staatlichen Förderbank KfW. Die Unternehmen heizen...

DWN
Immobilien
Immobilien Mehrheit der Immobilienbesitzer verweigert Klima-Sanierung
27.09.2023

Die meisten Immobilienbesitzer in Deutschland planen einer Umfrage zufolge in nächster Zeit keine Sanierungsmaßnahmen wie den Einbau...