Politik

Merkels harter Kurs in der EU: Wer weiter Geld will, muss Flüchtlinge nehmen

Die Osteuropäer haben beim EU-Flüchtlings-Gipfel keine Chance gegen den Westen: Sie sind Netto-Empfänger und werden daher nichts tun, was die Fördergelder gefährdet. Denn die nationalen Eliten brauchen das Geld für die Netzwerke, die ihre Macht stützen.
17.12.2015 17:12
Lesezeit: 2 min

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Die Flüchtlingsdebatte in Ost-Europa wird, wie das meiste in der EU, über die Umverteilung der Steuergelder entschieden. Damit dürfte klar sein: Die Ost-Europäer werden auch gegen ihren Willen Flüchtlinge aufnehmen müssen. Die Länder mit Außengrenzen werden akzeptieren müssen, dass, ebenfalls gegen ihren Willen, fremde Grenzschutz-Truppen in ihren Ländern tätig werden.

Die Rechnung ist einfach: Die Länder sind Nettoempfänger und haben bisher schon vom Umverteilungssystem in der EU profitiert. Keine Regierung – ob extrem rechts oder extrem links – will sich die Milliarden entgehen lassen, die die EU verteilt. Daran hat der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann die Osteuropäer vor dem EU-Flüchtlings-Gipfel erinnert. Man kann davon ausgehen, dass Faymann ausspricht, was Merkel denkt. Faymann sagte der Zeitung Die Welt: „Wer unter dem Strich mehr Geld aus dem EU-Haushalt erhält als einzahlt, sollte sich bei einer fairen Verteilung der Flüchtlinge nicht einfach wegducken.“ Faymann sagte, er „möchte nicht, dass die Europäische Union irgendwann nur mehr ein unverbindliches Treffen wird“. Noch deutlicher wurde der CDU-Politiker Gunther Krichbaum: „Dann wird eben die eine oder andere Straße in Tschechien oder der Slowakei nicht gebaut, weil wir das Geld für die Flüchtlinge brauchen.“

Tschechiens Europa-Minister Tomas Prouza wies diesen Zusammenhang auf Twitter zwar scheinbar empört zurück und schrieb, er sei erstaunt, dass in der EU „immer Dinge ohne rechtliche Basis“ verhandelt werden.

Die Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei protestieren gegen die Pläne der Umverteilung der Flüchtlinge. Die verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen aus Ankunftsländern wie Italien und Griechenland auf alle EU-Mitglieder wurde per Mehrheitsbeschluss durchgesetzt. Ungarn, Tschechien, die Slowakei und auch Rumänien wurden damals überstimmt. Polen – damals noch nicht unter der neuen nationalkonservativen Regierung – schwenkte in letzter Minute um und unterstützte den Plan. Doch auch Warschau hat aus der angestrebten Umverteilung von insgesamt 160.000 Menschen bis heute keinen einzigen Flüchtling aufgenommen – ebenso wie die anderen drei Visegrad-Staaten.

Die Erregung ist reiner Theaterdonner: Die Flüchtlingskrise wird in der EU dazu führen, dass die nationalen Grenzen verschwinden und die EU-Außengrenzen nicht mehr in die Souveränität der einzelne Staaten fallen. Es ist dies der deutlichste Schritt einer weiteren Integration seit der Einführung des Euro (Video am Anfang des Artikels). Nicht gelöst ist mit dem Zwang die Frage, wie die Flüchtlinge gegen den Willen der einzelnen Staaten integriert werden sollen. Es besteht die reale Gefahr, dass die Flüchtlinge zu Bürgern zweiter Klasse werden. Schon jetzt sind Bestrebungen zu erkennen, dass die Flüchtlinge zum Lohn-Dumping missbraucht werden – und zwar nicht nur in Osteuropa.

Die Frage nach der „rechtlichen Basis“ stellt sich nicht. Die wird nachgeliefert. Zuerst werden Fakten geschaffen. Die EU ist keine Werte-Union, wie gern behauptet, sondern ein Vehikel, damit die politischen Eliten aus dem Vollen schöpfen können. Daher wird es auch keinen Widerstand gegen die Maßnahmen geben: Die osteuropäischen Politiker denken nicht zuerst an ihr Bevölkerung. Sie denken an sich selbst. Milliarden aus den verschiedenen Fonds laufen die Staaten. Keine einzige Regierung - ob links oder rechts - wird darauf verzichten.

Money talks. Wer zahlt, schafft immer an. Das gilt in der EU zwar nicht für die Steuerzahler, von denen das Geld stammt. Sie werden an den Entscheidungen nicht beteiligt. Das Prinzip gilt jedoch für die regierenden Parteien und ihre Netzwerke, flächendeckend und trotz aller ideologischen Unterschiede.

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