Politik

Neue Spannungen nach Massen-Exekution in Saudi-Arabien

In Saudi-Arabien wurden am Samstag 47 Menschen durch Erschießung oder Enthauptung hingerichtet, darunter ein bekannter schiitischer Geistlicher. Demonstranten haben daraufhin am Abend die saudische Botschaft in Teheran gestürmt und einen Brand gelegt. Saudi-Arabien ist der engste Verbündete Deutschlands und der USA in der Region.
02.01.2016 23:33
Lesezeit: 2 min

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Mehrere Demonstranten haben in der Nacht zum Sonntag die saudische Botschaft in Teheran gestürmt und Teile des Gebäudes in Brand gesetzt. Das berichteten Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur. Nach Angaben eines Polizeisprechers haben die Sicherheitskräfte die Lage inzwischen wieder unter Kontrolle, es seien keine Demonstranten mehr im Botschaftsgebäude. Die Feuerwehr war vor Ort, um den Brand zu löschen.

Auch in Bahrain kam es zu Ausschreitungen. Demonstranten legten Brände auf den Straßen. Die Polizei feuerte laut Reuters in dem Ort Abu-Saiba westlich der Hauptstadt Manama Augenzeugen zufolge am Samstag Tränengas auf Dutzende Demonstranten ab. Die aufgebrachte Menge hielt Bilder des getöteten Geistlichen Nimr al-Nimr in die Höhe.

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Saudi-Arabien hat am Samstag 47 Menschen wegen Terrorismus-Vorwürfen hingerichtet und damit die Spannungen in der Region verschärft. Die meisten der Exekutierten seien wegen Beteiligung an Anschlägen der Islamistenorganisation Al-Kaida in den Jahren von 2003 bis 2006 zum Tode verurteilt worden, teilte das Innenministerium in Riad mit. Unter den Hingerichteten ist auch der prominente schiitische Geistliche Scheich Nimr al-Nimr, dessen Tod vom Iran sowie von führenden Schiiten aus dem Irak und dem Libanon scharf verurteilt wurde. Im Bezirk Katif, wo Nimr herkommt, sowie in Bahrain und im Iran gab es erste öffentliche Proteste gegen die Hinrichtung Nimrs. Auch die Bundsregierung zeigt sich beunruhigt. Die Exekution Nimrs "verstärkt unsere bestehenden Sorgen über zunehmende Spannungen und sich vertiefende Gräben in der Region", hieß es im Auswärtigen Amt.

Die wegen Terrorismus oder Anstiftung zu Gewalt verhängten Todesurteile wurden in zwölf Städten vollstreckt. In vier Haftanstalten wurden die Delinquenten durch Erschießungskommandos getötet. Die anderen Verurteilten wurden enthauptet. Die gleichzeitige Tötung von 47 Menschen war die größte Massenhinrichtung in Saudi-Arabien wegen Sicherheitsvergehen seit der Exekution von 63 Dschihadisten, die wegen der Erstürmung der Großen Moschee in Mekka im Jahr 1979 zum Tode verurteilt worden waren.

Saudi-Arabien war in den vergangenen Jahren immer wieder Ziel von Bombenanschlägen und Attentaten militanter Sunniten, die wie in den Nachbarländern Irak und Syrien den Sturz der Regierung herbeiführen wollen. Auch die sunnitische Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat wiederholt zu Anschlägen im Königreich aufgerufen.

Die schärfsten Reaktionen gab es auf die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr. Die Regierung in Teheran bestellte den saudiarabischen Geschäftsträger ein. Der Iran hatte Saudi-Arabien vor der Hinrichtung des Geistlichen gewarnt. Das sunnitische Saudi-Arabien und der schiitische Iran ringen um die Vormachtstellung in der Region. Der einflussreiche iranische Ajatollah Ahmad Chatami forderte einen Aufschrei in der islamischen Welt. "Das Verbrechen" an Scheich Nimr werde dazu führen, dass die sunnitische Herrscherfamilie Saud aus den Geschichtsbüchern ausgelöscht werde, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Mehr. In der den Schiiten heiligen Stadt Ghom gingen nach einem Agenturbericht Studenten der Theologischen Hochschule auf die Straße, um gegen die Exekution Nimrs zu demonstrieren.

Der frühere irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki sagte den Sturz der Regierung in Saudi-Arabien wegen der Hinrichtung Nimrs voraus. So wie das Verbrechen der Exekution des schiitischen Geistlichen Mohammed Bakir al Sadr das Ende von Saddam Hussein im Irak herbeigeführt habe, werde auch die Hinrichtung von Scheich Nimr den Sturz des Regimes in Saudi-Arabien zur Folge haben, sagte al-Maliki. Der Führer einer schiitischen irakischen Miliz sagte dem TV-Sender al-Sumaria, das Verbrechen an Scheich Nimr habe "das Tor zur Hölle" geöffnet. Die schiitische Hisbollah-Miliz aus dem Libanon sprach von einem schweren Fehler, den die Regierung in Riad mit der "Ermordung" Nimrs gemacht habe.

Nimr war im Juli 2012 festgenommen worden, nachdem er mehr Rechte für die schiitische Minderheit in dem von Sunniten dominierten Königreich gefordert hatte. Ihm wurde vorgeworfen, die Proteste gegen die Regierung mit ausgelöst zu haben.

Deutsche Oppositionspolitiker warfen Saudi-Arabien vor, mit den Massenhinrichtungen nicht anders gegen Gegner vorzugehen wie der IS. Die Bundesregierung müsse die Rüstungsexporte in das arabische Land und die "strategische Partnerschaft" mit dem Königreich beenden, forderten der Grünen-Politiker Omid Nouripur und die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen.

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