Politik

Internationale Sanktionen gegen den Iran aufgehoben

Die im Zuge des Atomstreits gegen den Iran verhängten internationalen Sanktionen sind aufgehoben. Die iranische Führung jubelt. Die US-Neocons sind verärgert und hoffen auf den nächsten US-Präsidenten.
16.01.2016 23:23
Lesezeit: 3 min

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Gut ein halbes Jahr nach dem Ende des Atomstreits mit dem Iran und der Einigung auf ein Abkommen hebt der Westen seine Sanktionen gegen das Land weitgehend auf. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte am Samstagabend in Wien, der entsprechende Prozess sei in die Wege geleitet. Unmittelbar zuvor hatte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) dem Iran bescheinigt, allen in dem Atomabkommen eingegangenen Verpflichtungen nachgekommen zu sein. Damit kann der Iran nach Jahren der wirtschaftlichen Isolation nun unter anderem wieder Öl am Weltmarkt verkaufen oder auch Flughäfen in der EU anfliegen. Der entschiedene Gegner Israels gewinnt zudem politisch weiter an Einfluss.

Der Atomstreit hatte jahrelang Sorgen vor einer militärischen Eskalation zwischen dem Iran und dem Westen geschürt. Die Islamische Republik wurde verdächtigt, unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms an Atomwaffen zu arbeiten. Die Führung in Teheran - zeitweise angeführt von dem Hardliner Mahmud Ahmadinedschad, zuletzt aber unter dem moderaten Hassan Ruhani - wies dies stets zurück.

Mitte Juli gelang nach zahlreichen Rückschlägen schließlich eine Einigung zwischen dem Iran und den fünf UN-Veto-Mächten sowie Deutschlands. Sie sieht vor, dass die Islamische Republik ihre atomaren Aktivitäten auf lange Zeit einschränkt. Im Gegenzug sollten die USA, die EU und die Vereinten Nationen ihre Sanktionen gegen den einst fünftgrößten Ölförderer der Welt aufheben. Die Führung im Iran stand auch innenpolitisch unter Druck: Viele der rund 80 Millionen Iraner haben unter den Strafen gegen ihr Land gelitten.

Die Einigung gilt als einer der größten außenpolitischen Erfolge von US-Präsident Barack Obama. Die Neocons lehnen die Entwicklung ab. Michael Rubin vom neokonservativen American Enterprise Institute (AEI) schreibt: „Täuschen Sie sich nicht: Wir verhandelten mit Terroristen und die Terroristen haben gewonnen. Die iranische Führung hat sich nicht verändert. Weder der Oberste Führer Ali Khamanei noch sein ,Mr. Fix-it“, Präsident Hassan Rouhani, haben ihren Verhaltensweisen, die den Iran zu einem internationalen Paria gemacht haben, abgeschworen.“ Alan Dershowitz hatte bereits im vergangenen Jahr gesagt, dass jede künftige Regierung den Iran-Deal rückgängig machen kann, wenn es die US-Öffentlichkeit wünscht, berichtet USA Today.

Eliot A. Cohen, Eric S. Edelman und Ray Takeyh schreiben in einem aktuellen Foreign Affairs-Essay, dass der Iran die sein Atom-Programm jederzeit für den Bau einer Atom-Bombe nutzen könne. Daran ändere auch die Einigung mit dem Westen nichts. Zudem bestehe die Gefahr, dass nun auch der iranische Kontrahent Saudi-Arabien als Schutzmaßnahme nach der Atom-Bombe greifen könnte. Die fordern eine Revision des Abkommens zwischen dem Westen und dem Iran. Die USA müssen „den Iran für seine regionale Aggression, die Unterstützung des Terrorismus und die Verletzung der Menschenrechte abstrafen.“

Der ehemalige US-Diplomat Dennis Ross sagt, dass der Iran nun auch seine Unterstützung für die in Syrien und im Libanon militärisch aktive Hisbollah-Miliz erhöhen wird. „Ich glaube, dass es eine Erhöhung von materiellen Hilfen für die Hisbollah geben wird. Die wird in den kommenden Monaten offensichtlich werden“, zitiert die Washington Post Ross. Der US-Diplomat setzt sich seit Jahren für die Aufrechterhaltung und Verschärfung der Iran-Sanktionen ein.

Nur Stunden vor Bekanntgabe der Aufhebung der Sanktionen hatten die USA und der Iran Gefangene ausgetauscht. Nach US-Angaben vom Samstag ließ der Iran fünf US-Bürger frei. Darunter sei auch ein Reporter der "Washington Post", Jason Rezaian. Die USA hätten sieben Iraner auf freien Fuß gesetzt, sagte ein ranghoher Regierungs-Vertreter. Bei dem Vorgang handele es sich nicht um einen klassischen Gefangenen-Austausch, sondern um eine "humanitäre Geste". In Teheran wurde Generalstaatsanwalt Abbas Dschafari Dowlatabadi von iranischen Nachrichtenagenturen mit den Worten zitiert, die Freilassung stehe in Einklang mit dem "nationalen Interesse" des Iran.

Im Nahen Osten dürfte sich das Machtgefüge verschieben, da der Iran als Erzrivale des US-Verbündeten und weltgrößten Erdölexporteurs Saudi-Arabien gestärkt wird. Dies zeigt sich etwa beim Krieg in Syrien, wo sich die beiden Regionalmächte ebenso wie im Jemen Stellvertreter-Konflikte liefern.

Unternehmen weltweit sehen im Iran nun gute Chancen für milliardenschwere Geschäfte, die ihnen wegen der Sanktionen seit langem verbaut waren. Allein für deutsche Firmen hält der DIHK mittelfristig fünf Milliarden und langfristig zehn Milliarden Euro Exportvolumen für realistisch. Nachholbedarf gebe es im Iran im Maschinen- und Fahrzeugbau, im Wassermanagement, der Abfallwirtschaft, im Gesundheitswesen, bei Baustoffen und erneuerbaren Energien. Einen ersten Mega-Deal kündigte der Iran noch am Samstag an: Vom europäischen Hersteller Airbus sollen der Agentur Tasnim zufolge 114 Passagierflieger gekauft werden. Sie könnten laut Preisliste mehr als zehn Milliarden Euro kosten.

Mit dem Ende der Sanktionen dürfte auch mehr iranisches Öl gefördert und auf den Weltmarkt kommen. Allein die Aussicht darauf setzt den Rohstoffpreisen seit längerem zu. So war am Freitag der Preis für Öl der US-Sorte WTI auf unter 30 Dollar je Barrel (159 Liter) gefallen - den tiefsten Stand seit zwölf Jahren. Mitte 2014 mussten noch mehr als 100 Dollar gezahlt werden. Ein Grund für den Preisverfall ist die weltweite Überproduktion. Der Iran bekräftigte am Samstag gleichwohl, seine Produktion nun zunächst um 500.000 Barrel pro Tag anzuheben und in naher Zukunft um weitere 500.000

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