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VW hielt Informationen in Abgasskandal zunächst geheim

Der Vorstand von Volkswagen hat in der Abgasaffäre Informationen vorübergehend bewusst zurückhalten. Der Konzern habe Verhandlungen mit der US-Umweltbehörde EPA nicht gefährden wollen. Aktionäre hatten auf Schadenersatz geklagt, weil der Konzern kursrelevante Informationen sofort veröffentlichen muss.
07.03.2016 14:41
Lesezeit: 2 min

Der Vorstand von Volkswagen hat in der Abgasskandal Informationen vorübergehend bewusst zurückhalten. Dadurch wollte der Konzern nach Darstellung seiner Anwälte verhindern, dass Verhandlungen mit der US-Umweltbehörde EPA gefährdet werden, wie aus der Erwiderung des Wolfsburger Konzerns auf Klagen von Aktionären hervorgeht. „Bei einer öffentlichen Diskussion wären die Möglichkeiten einer geordneten und mit den zuständigen US-Behörden abgestimmten Abarbeitung der Diesel-Thematik in den USA maßgeblich gefährdet worden“, heißt es in dem 113 Seiten umfassenden Dokument, das der Nachrichtenagentur Reuters am Montag vorlag. Die Signalwirkung einer Börsenpflichtmitteilung (Ad-hoc-Mitteilung) hätte die Verhandlungen in diesem Stadium sonst durchkreuzt.

„Die vorübergehende Geheimhaltung diente damit nicht etwa der Verschleierung des Compliance-Verstoßes“, schreiben die Anwälte von VW. Vielmehr habe man dadurch auch mehr Zeit für die weitere Aufklärung gewinnen wollen. Über welchen Zeitraum sich die Geheimhaltung erstreckte, geht aus dem Dokument nicht klar hervor.

Verstöße gegen US-Recht durch Manipulationen seien von den zuständigen US-Behörden in der Vergangenheit regelmäßig in einer „Konsensvereinbarung“ mit „überschaubaren Strafzahlungen“ sanktioniert worden, heißt es in dem Dokument. Ein solches Vorgehen habe VW bis zuletzt auch in der Affäre um manipulierte Abgaswerte bei Dieselmotoren erwartet. Der Konzern habe nicht damit rechnen können, dass die US-Behörden mit den Verstößen „proaktiv“ an die Öffentlichkeit gehen würden.

Aktionäre machen vor dem Landgericht Braunschweig geltend, das Unternehmen habe zu spät darüber informiert. Sie begründen damit ihre Schadensersatzforderungen für erlittene Kursverluste. Börsennotierte Unternehmen wie Volkswagen müssen Informationen umgehend veröffentlichen, die den Börsenkurs beeinflussen können. VW ist davon überzeugt, die kapitalmarktrechtlichen Anforderungen vollumfänglich erfüllt zu haben.

Die US-Umweltbehörde EPA hatte am 18. September vergangenen Jahres den Vorgang öffentlich gemacht. VW räumte die Manipulationen erst zwei Tage später ein. Tags darauf stürzte die VW-Aktie um fast 20 Prozent ab, Europas größter Autokonzern verlor binnen weniger Stunden zwölf Milliarden Euro an Börsenwert. Am 22. September gab Volkswagen in einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt, dass weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge von der Manipulation betroffen sind und 6,5 Milliarden Euro für die Reparatur der Fahrzeuge zur Seite gelegt wurden.

Bereits am 3. September räumten VW-Techniker den Angaben zufolge gegenüber der EPA den Einsatz einer illegalen Abschalteinrichtung ein. Einen Tag später wurde der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn in einer Notiz darüber unterrichtet. Danach versuchte VW, den Schaden in Gesprächen mit den Umweltbehörden zu begrenzen. Dabei setzten die Verantwortlichen darauf, dass sich die Strafe in Grenzen halten würde. Sowohl die Rechtsabteilung als auch der für die Ad-hoc-Publizität verantwortliche Vorstand seien von einem maximal hohen zweistelligen beziehungsweise unteren dreistelligen Millionenbetrag ausgegangen.

Kursrelevant sei letztlich allein die aus Sicht von VW „unerwartete“ öffentliche Bekanntgabe der Abgasmanipulation durch die EPA am 18. September gewesen. Darin drohte die EPA Volkswagen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Umweltgesetzte mit einer Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar. Der darauffolgende Kursverlust sei eine „Überreaktion“ der Börse gewesen, argumentieren die VW-Anwälte.

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