Die EU-Staats- und Regierungschefs sind am Montagabend bei ihrem Gipfel wieder zusammengekommen, um über den Vorschlag der Türkei zur Flüchtlingsrücknahme zu beraten, wie ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. Das ursprünglich geplante Abendessen wurde gestrichen, „um eine überarbeitete Erklärung zu vereinbaren“.
Im Anschluss solle eine Pressekonferenz zusammen mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu stattfinden, erklärte Tusks Sprecher weiter. Ein Diplomat sagte der AFP, es gehe nun „eher um einen Text, der die Möglichkeit einer Vereinbarung ausdrückt“.
Ein weiterer Diplomat sagte AFP, in der geplanten Erklärung werde der türkische Vorschlag „eher positiv“ bewertet. Der Vorschlag selbst werde aber nicht mehr am Montag verabschiedet.
Um 23 Uhr meldet die EU-Kommission, dass man das Ziel einer Einigung fast erreicht habe: Nun ginge es um die Feinabstimmung, schreibt Junckers Büroleiter Martin Selmayr:
Almost there, last fine-tuning of the text.
— Martin Selmayr (@MartinSelmayr) March 7, 2016
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte dem Gipfel überraschend
vorgeschlagen, alle neu in Griechenland ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Für jeden abgeschobenen Syrer soll sich die EU verpflichten, einen anderen Syrer auf legalem Wege aufzunehmen. Dies käme einer Aushebelung des Asylrechts in der EU gleich. Pro-Asyl warnt die EU, diesen Deal einzugehen. Der Guardian berichtet, dass diese Bedenken auch bei der EU bestehen, weshalb man nun prüfe, ob ein solches Tauschgeschäft rechtlich zulässig wäre.
Zudem fordert Ankara insgesamt sechs Milliarden Euro für 2018 zur Versorgung der 2,7 Millionen syrischen Flüchtlinge im eigenen Land, rasche Visa-Freiheit für ihre Bürger und Fortschritte bei den EU-Beitrittsverhandlungen. Frankreichs Präsident Hollande hat sich gegen die Aufhebung der Visumspflicht ausgesprochen.
Merkel sprach nach den Angaben aus EU-Kreisen mit Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionschef Jean-Claude Juncker und dem amtierenden niederländischen Ratsvorsitzenden Mark Rutte. Erst danach sei das Abendessen vorgesehen, zu dem auch wieder Davutoglu stoßen sollte.
Euractiv berichtet, dass viele Regierungschefs und EU-Präsident Donald Tusk sehr verärgert gewesen seien, weil der Entwurf für das Schlussdokument, dass die 28 Spitzendiplomaten am Wochenende entworfen hatten, einfach durch ein neues Papier ersetzt worden sei, welches die niederländische Ratspräsidentschaft, Merkel und Davutoglu gemeinsam geschrieben hätten und dem Gipfel kurzfristig vorlegten. Vor allem die Visegrad-Staaten seien von diesem Vorgehen vor den Kopf gestoßen worden.
Aus mehreren Ländern gab es aber Widerstand gegen Ankaras Vorschlag. Ein ungarischer Regierungssprecher schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, Regierungschef Viktor Orban werde dem Plan nicht zustimmen, „Asylbewerber direkt aus der Türkei umzusiedeln“. Der Sprecher sprach von einem Veto – was ein Novum bei den Gipfeln wäre:
PM #Orban has vetoed EU-Turkey plan to relocate asylum seekers directly from Turkey
— Zoltan Kovacs (@zoltanspox) March 7, 2016
Zypern machte Diplomaten zufolge Vorbehalte gegen beschleunigte Beitrittsverhandlungen geltend.
Probleme bereitete auch das harte Vorgehen Ankaras gegen regierungskritische Medien. Nach Angaben italienischer Medien erklärte Regierungschef Matteo Renzi, er werde keine Vereinbarung mit der Türkei unterzeichnen, wenn darin nicht auf die Pressefreiheit verwiesen werde.
Der dänische Regierungschef Lars Lökke Rasmussen schrieb auf Twitter, es werde am Montag voraussichtlich keine Einigung geben – „auch wenn wir dem näher kommen“. Der nächste EU-Gipfel findet schon Ende kommender Woche statt.
How many #EUCO meetings have they attended? Juncker leads with 100 summits - qualifies for Guinness book pic.twitter.com/aacRmCYY2N
— Georgi Gotev (@GeorgiGotev) March 7, 2016