Politik

Millionen-Demo: Brasilianer erheben sich gegen Präsidentin

Lesezeit: 2 min
14.03.2016 13:42
Mehr als drei Millionen Brasilianer protestierten am Sonntag gegen Präsidentin Dilma Rousseff. Ihr wird unter anderem vorgeworfen, ihren Wahlkampf illegal finanziert zu haben. Ein Amtsenthebungsfahren gegen Rousseff wurde vorläufig gestoppt.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Mehr als drei Millionen Menschen haben in Brasilien den Druck auf die politisch angeschlagene Staatschefin Dilma Rousseff verstärkt. „Dilma raus“, riefen die Regierungsgegner, die sich am Sonntag in der Hauptstadt Brasília und rund 400 anderen Städten des Landes versammelten. Sie machten lauthals ihrem Ärger über eine riesige Korruptionsaffäre sowie den wirtschaftlichen Abschwung Brasiliens Luft.

Die höchste Teilnehmerzahl, laut Polizei eine „historische“ Menge von etwa 1,4 Millionen Menschen, wurde in Brasiliens größter Stadt São Paulo erzielt. In der Hochburg der Opposition strömte auf einer der Hauptstraßen eine riesige Menschenmenge zusammen. Die Stimmung war friedlich, einige Demonstranten brachten ihre Kinder mit.

„Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment für unser Land“, sagte Rogerio Chequer, ein Anführer der Organisation Vem Pra Rua, welche die Proteste mitorganisierte. „Wir werden jetzt mit dem Wandel starten.“ Die 61-jährige Rentnerin Rosilene Feitosa sagte: „Ich bin gekommen, weil ich es müde bin, so viel Korruption zu sehen und weil ich die Unordnung beenden will, die dieses Land beherrscht“, zitiert die beiden die Nachrichtenagentur AFP.

In Brasília versammelten sich nach Polizeiangaben etwa 100.000 Demonstranten vor dem Abgeordnetenhaus. Der Protestzug wurde von einem massiven Sicherheitsaufgebot begleitet.

In Rio de Janeiro führte der Protestzug über den berühmten Strand Copacabana, die Teilnehmer sangen und tanzten zu Sambaklängen. Buhrufe wurden laut, als ein Kleinflugzeug mit einer Banderole über die Menge hinwegflog, auf der zu lesen stand, dass es „keinen Staatsstreich geben“ werde.

Nach unbestätigten Angaben der Organisatoren beteiligte sich in Rio de Janeiro fast eine Million Menschen an der Demonstration gegen Präsidentin Rousseff. „Wir müssen Dilma, die Arbeiterpartei, das Ganze loswerden“, sagte die 73-jährige Maria do Carmo, die wie viele andere Protestteilnehmer eine Landesflagge schwenkte. „Ihre Zeit ist vorbei.“

Rousseff kam am Sonntagabend in Brasília mit ihren wichtigsten Ministern zusammen, um über die Lage zu beraten. In einer vom Büro der Präsidentin veröffentlichten Erklärung wurde der „friedliche“ Verlauf der Proteste gelobt. Vorab hatte Rousseff vor gewaltsamen Auseinandersetzungen bei den landesweiten Protesten gewarnt.

Erstmals seit dem Beginn der Proteste gegen Präsidentin Rousseff beteiligten sich die Oppositionsparteien aktiv an den Demonstrationen. Die rechte Opposition hofft, durch die Massenproteste den Druck auf die Abgeordneten zu erhöhen, damit diese für eine Amtsenthebung der Präsidentin stimmen. Rousseffs Mandat läuft regulär bis Ende 2018.

Die Zustimmungswerte der Staatschefin liegen mittlerweile nur noch bei knapp zehn Prozent, für ihre Amtsenthebung sind laut Umfragen rund 60 Prozent der Brasilianer. Sie wird unter anderem für die schlimmste Rezession in Brasilien seit Jahrzehnten verantwortlich gemacht. Die jüngsten Korruptionsermittlungen gegen ihren Vorgänger und Parteifreund Luiz Inácio Lula da Silva bringen Rousseff weiter in Bedrängnis.

Lula war in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre um den Ölkonzern Petrobras verhört worden. Dabei ging es um eine Luxuswohnung in der Küstenstadt Guarujá im Bundesstaat São Paulo, deren Besitz er den Behörden verschwiegen haben soll. Lula gibt an, nicht der Eigentümer der Wohnung zu sein.

Die konservative Opposition wirft Rousseff vor, ihren Wahlkampf 2014 illegal mit Spenden von Zulieferern des Energiekonzerns Petrobras finanziert und den Haushalt 2014 sowie im ersten Halbjahr 2015 geschönt zu haben. Ein Gericht erklärte den Etat im vergangenen Oktober wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten für illegal.

Doch ein Amtsenthebungsfahren gegen Präsidentin Rousseff wurde vom Obersten Bundesgericht vorläufig gestoppt. Am Mittwoch will sich das Gericht erneut dazu äußern. Am Samstag beschloss bereits Rousseffs wichtigster Koalitionspartner, die Zentrumspartei PMDB, nach einer Frist von 30 Tagen über einen Ausstieg aus dem Bündnis zu entscheiden.


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Arbeitsmarkt: Vergleich zwischen Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA
04.06.2024

Die Arbeitsmärkte von Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA sind vielfältig und teilweise grundverschieden: Während...

DWN
Politik
Politik Waffen für Ukraine: Scholz erläutert seine Entscheidung
04.06.2024

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in seiner jüngsten Entscheidung zur Waffenlieferung für die Ukraine keine Gefahr einer Eskalation. Das...

DWN
Politik
Politik Europawahl Endspurt: Was die Parteien in Ihren Wahlprogrammen versprechen
04.06.2024

Im Endspurt vor dem 9. Juni ist der Funke auf viele Bürgerinnen und Bürger noch nicht so richtig übergesprungen. Europawahl, war da was?...

DWN
Finanzen
Finanzen Ex-Bundesbankchef Axel Weber: Die Gefahr vorzeitiger Zinssenkungen der EZB
03.06.2024

Die Europäische Zentralbank steht kurz davor, einen neuen Zinssenkungszyklus einzuleiten, nachdem die Inflationsraten im Euroraum deutlich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Litauen: Rheinmetall will 180 Millionen Euro in Munitionsfabrik investieren
03.06.2024

Der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall plant eine 180 Millionen Euro teure Munitionsfabrik sowie eine Artilleriefabrik in...

DWN
Politik
Politik DWN-SERIE zur Europawahl (Teil 7): Das Wahlprogramm der CDU/CSU für die EU
03.06.2024

Am Sonntag, dem 9. Juni, findet in Deutschland die Abstimmung zur Europa-Wahl statt. Erstmals werden auch 16-Jährige über die...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungskrise: Wo die Mieten in Deutschland am stärksten steigen
03.06.2024

Seit Jahren steigt der Druck auf den Mietmarkt in Deutschlands Großstädten. Neue Zahlen zeigen nun: Kräftig teurer wird es auch in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Traditionsbruch nach 90 Jahren: Kritik am Umzug von Spielzeughersteller Schleich nach München
03.06.2024

Der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold (CDU), hat stocksauer auf den Umzug des Spielwarenherstellers Schleich nach...