Finanzen

Regionen in Not: In Russland drohen Zahlungsausfälle

Nachdem die russische Regierung 2012 die Entscheidungen über Sozialabgaben an die Regionen abgegeben hatte, haben sich die Schulden der Verwaltungseinheiten verdoppelt. Ein Schuldenerlass durch Moskau sei ausgeschlossen, so das Finanzministerium. Den Regionen fehlen jedoch die finanziellen Puffer, um ihre Schulden bezahlen zu können.
20.03.2016 01:06
Lesezeit: 2 min

Die Rezession in Russland bringt viele Regionen des Landes an den Rand des Kollaps'. Präsident Wladimir Putin hat nun die Qual der Wahl: Die Regierung in Moskau kann den Regionen entweder mit Geld aushelfen. Dann riskiert sie aber eine höhere Verschuldung in Zeiten, in denen sie selbst unter schwacher Konjunktur, dem niedrigen Ölpreis und westlichen Sanktionen leidet. Oder sie überlässt die Regionen ihrem Schicksal, was zu sozialen Unruhen führen könnte. Kurz vor einer Reihe von Wahlen, an deren Ende 2018 die des Präsidenten steht, keine leichte Entscheidung.

„Ich gehe nicht davon aus, dass es viele Zahlungsausfälle geben wird“, sagt Karen Wartapetow von der Ratingagentur Standard and Poor's (S&P). „Aber es wird sich in diese Richtung entwickeln.“ Vor vier Jahren hatte die russische Zentralregierung einen großen Teil der Verantwortung für die Sozialausgaben an die Regionen abgegeben. Diese mehr als 80 Verwaltungseinheiten der russischen Föderation hatten nach Angaben des Rechnungshofs im vergangenen Jahr insgesamt ein Haushaltsdefizit von rund einer Billion Rubel (gut 13 Milliarden Euro) bei Ausgaben von zehn Billionen Rubel. Die Behördenchefin Tatjana Golikowa sagte bereits 2015: „Radikale Änderungen im Umgang mit den regionalen Budgets sind längst überfällig.“

Das Finanzministerium in Moskau wollte sich dazu nicht äußern. Es hat jedoch zuletzt einen Schuldenerlass für die Regionen ausgeschlossen. Russlands Staatsdefizit ist mit weniger als drei Prozent der Wirtschaftskraft besser als in Euro-Ländern wie Frankreich und Spanien. Die Regionen des Landes haben ihre Schulden hingegen nach offiziellen Angaben seit 2012 verdoppelt. S&P schätzt, dass sich diese Verbindlichkeiten bis Ende 2018 auf 5,5 Billionen Rubel erneut mehr als verdoppeln. Viele Regionen hätten zunehmend weniger Mittel, um ihre Schulden zu bedienen. Während die Zentralregierung in Moskau Finanzlöcher mit Hilfe ihrer Devisenreserven stopfen kann, fehlt den Regionen so ein Puffer.

Besonders kritisch steht es um die westrussische Republik Mordowien. Hier stiegen die Schulden im Vorjahr um 30 Prozent auf 33,7 Milliarden Rubel, damit liegen sie 180 Prozent über den jährlichen Einnahmen der Region. Mordowiens Regierungschef Wladimir Wolkow hat aber Medienberichten zufolge angekündigt, sich an die Vorgaben aus Moskau zu halten und die Ausgaben wie vom Kreml 2012 vorgesehen umzusetzen. Dazu gehört, dass die Regionen einen Großteil der Staatsausgaben rund um Gesundheit, Bildung und Versorger übernehmen. Zudem sollten sie die Löhne von Arbeitnehmern im Gesundheits- und im Bildungswesen zahlen.

Zunächst war dies kein Risiko. 2012 lag der Ölpreis über 100 Dollar und die Regierung erwartete über das gesamte Jahrzehnt hinweg ein jährliches Wirtschaftswachstum von rund sechs Prozent. Derzeit allerdings kostet ein Fass Öl nur rund 40 Dollar und die Wirtschaft des Energieproduzenten schrumpfte 2015 um 3,7 Prozent. Moskau bietet den Regionen zwar billige Kredite. Sie reichen aber nicht aus, um die fälligen Anleihen zu bezahlen, geschweige denn andere Ausgaben zu finanzieren.

Der Kreml befürchtet nach Ansicht von Beobachtern, dass es zu Protesten kommen könnte, sollten die Regionen ihre Ausgaben kappen. „Sehr wahrscheinlich wird Hilfe aus dem zentralen Haushalt nötig sein“, sagt Alexander Ermak vom Finanzdienstleister Region Broker. Moskau muss sich aber wohl entscheiden, wen es in der Rezession vorrangig stützen will: Staatsbetriebe, die Regionen oder den unter den Sanktionen leidenden Banken. Hilfe für alle würde die Reserven des Staates aufzehren. Auch Rating-Fachfrau Wartapetow sieht die Regierung in Zugzwang: „Sie muss eine Balance finden zwischen den politischen und finanziellen Kosten im Umgang mit den Finanznöten der Regionen.“

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