Als erster amtierender US-Präsident seit fast 90 Jahren traf Barack Obama am Sonntag in Havanna, der Hauptstadt des kommunistischen Karibikstaats, ein. Sein dreitägiger Besuch in Kuba markiert den bisherigen Höhepunkt des Annäherungskurses zwischen den vormals verfeindeten Ländern. Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro hatten Ende 2014 eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den Gegnern aus den Zeiten des Kalten Kriegs eingeleitet. Ein Treffen der zwei Staatschefs war aber erst für Montag vorgesehen.
Die Air Force One des US-Präsidenten landete am Sonntagnachmittag. Mit an Bord waren Obamas Frau Michelle und seine zwei Töchter Malia und Sasha. „Que bola, Cuba?“ (Wie geht's, Kuba?) – im landestypischen Slang grüßte Obama über Twitter unmittelbar nach seiner Landung die kubanische Bevölkerung. Er freue sich darauf, die Kubaner zu treffen und zu hören, fügte der US-Präsident hinzu. Zu Beginn unternahmen Obama und seine Familie einen Spaziergang durch die Altstadt von Havanna. Doch der inzwischen heftiger gewordene Regen und ein enormes Polizeiaufgebot sorgten für menschenleere Straßen.
„Vielleicht haben sie mich durchgelassen, weil sie mich mit meinem Rucksack für einen Touristen hielten“, sagte der 42 Techniker Ariel Hernandez, während er versuchte, einen Blick auf den US-Präsidenten und seine Familie zu werfen. Wie viele seiner Landsleute erwarte er sich viel von dem Besuch, sagte Hernandez weiter: „Wir hoffen auf die Zukunft – das ist ein großer Wandel“, zitiert ihn die AFP.
Nach einem Treffen mit dem Personal der erst im vergangenen August wieder eröffneten Botschaft endete Obamas erster Tag auf kubanischem Boden mit einem Abendessen in einem „Paladar“ – einem der privaten Restaurants, die erst seit wenigen Jahren in Kuba zugelassen sind.
Am Dienstag hält der US-Präsident eine vom Fernsehen übertragene Rede in einem Theater der Hauptstadt. Auch Treffen mit Privatunternehmern und Oppositionellen sowie der Besuch eines Baseballspiels stehen auf seinem Programm. Obama hatte bereits im Vorfeld angekündigt, bei seinem Treffen mit Präsident Castro auch über die Menschenrechtslage in Kuba sprechen zu wollen.
Wenige Stunden vor Obamas Landung in Havanna waren dutzende Regierungsgegnerinnen festgenommen worden. Die von einigen Unterstützern begleiteten Aktivistinnen der Bewegung Damen in Weiß wurden am Sonntag nach einer Protestkundgebung in der Hauptstadt in Gewahrsam genommen. Bei dem Marsch in der Nähe einer Kirche forderten sie mehr Achtung für die Menschenrechte in Kuba.
Erst am Freitag hatte Kubas Staatschef Raúl Castro Venezuelas Präsident Nicolás Maduro empfangen. Dabei bekräftigte Castro mit US-kritischen Tönen seine Solidarität mit dem Verbündeten Venezuela. Am Samstag traf Maduro dann Revolutionsführer Fidel Castro. Maduro ist ebenso wie sein Vorgänger Hugo Chávez ein scharfer Kritiker der US-Politik in Lateinamerika. Im Gegensatz zu dem venezolanischen Präsidenten wird Obama den 89-jährigen Revolutionsführer nicht treffen.
Auch deutsche Firmen hoffen auf eine Annäherung zwischen den beiden Ländern: Vor der Reise Barack Obamas auf die Karibikinsel sind auch deutsche Regierungsvertreter dorthin gereist: Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel versuchten, die Annäherung für eine Stärkung der Handelsbeziehungen zu nutzen. Bislang rangiert Kuba im deutschen Außenhandel noch weiter unten. Doch hiesige Unternehmer stehen in den Startlöchern, sich stärker auf der Insel zu engagieren.
Deutschland hat 2015 Waren im Volumen von rund 258 Millionen Euro nach Kuba geliefert. Das sind immerhin 35 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Inselstaat steht damit mittlerweile auf Rang 101 der deutschen Handelspartner im Export. Im Gegenzug lieferte Kuba Güter im Wert von 33 Millionen Euro. Deutschland versorgt das Karibikland vor allem mit Maschinen, aber auch mit chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen. Kuba punktet mit Exportschlagern wie Zigarren und Rum, aber auch mit Honig und Obstsäften.
Laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sind rund 100 deutsche Firmen in Kuba aktiv. Doch mit der wirtschaftlichen Öffnung gebe es enormes Potenzial: „Das Interesse ist groß“, sagt DIHK-Ökonom Mark Heinzel. Mittelfristig sei ein bilaterales Handelsvolumen von rund einer Milliarde Euro drin. Auf der Prioritätenliste Havannas stehe die Modernisierung der landwirtschaftlichen Produktion weit oben. Hierfür bieten deutsche Firmen Maschinen und Know-how.
Trotz der Annäherung besteht das Handelsembargo der USA gegen Kuba fort. In Washington wehren sich vor allem die Republikaner gegen eine Lockerung der Sanktionen, die nach der Revolution Anfang der 60er-Jahre verhängt wurden. Sollte das Embargo fallen, werde es für Firmen leichter, in Kuba zu investieren, prophezeit der DIHK: „Diese vermehrten Investitionen benötigt die kubanische Regierung dringend, um die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können.“ Viele deutsche Firmen, die auch in den USA engagiert seien, hielten sich wegen der fortbestehenden Sanktionen mit Investitionen in Kuba allerdings noch zurück.
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