Gemischtes

Daimler gerät wegen Diesel-Werten unter Druck

Juristen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages unterstützen die Kritik an Dieselmotoren des Daimler-Konzerns. Ihnen zufolge sind Einrichtungen zum Drosseln der Abgasreinigung nur unter sehr strikten Vorgaben erlaubt. Mittlerweile hat die Deutsche Umwelthilfe Klage gegen den Autokonzern eingereicht.
06.04.2016 09:21
Lesezeit: 2 min

Die Deutsche Umwelthilfe hat den Autobauer Daimler wegen falscher Werbeaussagen zu Schadstoffen eines Mercedes-Diesel-Modells verklagt. Die Klage sei beim Landgericht Stuttgart eingegangen und ein schriftliches Verfahren eröffnet, erklärte ein Gerichtssprecher der Nachrichtenagentur Reuters zufolge am Mittwoch. „Die Klage wurde uns zugestellt, wir halten sie für unbegründet“, sagte eine Daimler-Sprecherin. Die Umwelthilfe wirft Daimler vor, die Verbraucher mit Werbeaussagen zu einem „besonders geringen Schadstoffausstoß“ des Mercedes-Benz C 220 BlueTec zu täuschen.

Zuvor hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages den Kritikern von Daimler und anderen Autoherstellern Argumentationshilfe geleistet. Nach Einschätzung der nicht namentlich genannten Parlamentsjuristen sind Einrichtungen zum Drosseln der Abgasreinigung nur in sehr engem Rahmen gesetzlich erlaubt. Das geht aus einer Reuters vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Grünen hervor, über die am Dienstag zuerst das Recherchenetzwerk Deutschland berichtete. Die EU-Emissionsverordnung erlaubt dies demnach nur punktuell und nicht regelmäßig oder bei Minustemperaturen nach dem Motorstart maximal 400 Sekunden lang.

Die Deutsche Umwelthilfe hatte Daimler vorgeworfen, bei der älteren Mercedes C-Klasse komme es wegen einer womöglich illegalen Abschalteinrichtung zu unerlaubt hohen Stickoxid-Emissionen. Der Autobauer hatte den Verdacht zurückgewiesen. Zwar werde die Abgasreinigung bei Temperaturen unter zehn Grad Celsius zum Schutz des Motors heruntergeregelt. Doch diese Technik stehe völlig im Einklang mit dem Gesetz. „Wir sind davon überzeugt, dass die Regelung (...) innerhalb der gesetzlichen Vorgaben erfolgt“, bekräftigte ein Daimler-Sprecher. „Diese Maßnahme ist eine technische Notwendigkeit, die nicht Mercedes-spezifisch ist.“

Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber wollte auf Nachfrage vor der Presse in Berlin keine Stellung dazu nehmen, ob die Abgasreinigung punktuell oder regelmäßig zurückgefahren wird. Die Rechtsauslegung des Wissenschaftlichen Dienstes müsse außerdem erst geprüft werden. Der neue Diesel-Motor, der erstmals in der neuen E-Klasse zum Einsatz kommt, wird Weber zufolge bis zu 80 Prozent weniger Stickoxid ausstoßen. Bis 2017 sollten zehn neue Modelle mit dem OM654 ausgerüstet werden, um die ab dann geltenden strengeren Vorgaben für Emissionstests zu erfüllen. Der Autobauer investiert 2,6 Milliarden Euro, um Motoren sauberer und sparsamer zu machen.

Das für Modellzulassungen zuständige Kraftfahrt-Bundesamt, dessen Rechtsauslegung entscheidend ist, wollte keinen Kommentar zu dem Papier der Parlamentsjuristen geben. Ein Bericht des Amtes über die Ergebnisse einer umfangreichen Prüfung von Diesel-Fahrzeugen aller Hersteller wegen des Dieselabgasskandals bei Volkswagen steht noch immer aus.

VW hatte zugegeben, bei weltweit elf Millionen Fahrzeugen eine illegale Software zur Manipulation von Stickoxid-Werten auf dem Prüfstand installiert zu haben. Alle Autohersteller stehen nun unter Druck, weil Abgaswerte im Straßenbetrieb auch ohne illegale Software viel höher sind als unter Testbedingungen. Die Schadstofflimits werden so nur im Labor eingehalten. Eine Neuregelung zu den Testverfahren wird die Autoindustrie zwingen, ab 2017 die Kluft zwischen Gesetz und Realität zu verringern.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...