Politik

Ukraine: Machtkampf um designierten Premier Groisman

In der Ukraine könnte Wladimir Groisman neuer Premier werden. Doch seine Bestellung ist sehr umstritten. Am Montagabend scheint ein Kompromiss gefunden worden zu sein. Ob die neue Regierung lange hält, ist unklar. Die Opposition fordert Neuwahlen. Die Ukraine wird durch EU-Steuergelder und IWF-Kredite liquide gehalten.
12.04.2016 02:04
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Bildung einer Regierung in der Ukraine gestaltet sich ausgesprochen schwierig. Der designierte Ministerpräsident Wladimir Groisman wolle Leute seines Vertrauens im Kabinett haben und keine Vorgaben aus der Kanzlei von Präsident Petro Poroschenko akzeptieren, berichteten mehrere Abgeordnete am Montagabend in Kiew. Der Poroschenko-Vertraute und Abgeordnete Mustafa Nayem, ein Anti-Korruptionsaktivist, schrieb am Montag auf Facebook, dass Groisman die Bestellung abgelehnt habe.

Später meldete jedoch ein Sprecher Groismans, man habe sich auf ein Kabinett geeinigt. Groisman habe zugesagt, weil Poroschenko gedroht habe, den Fraktionsvorsitzenden Juri Luzenko zum Regierungschef zu machen. Die FT berichtet, dass Luzenko als stellvertretender Premier auch den Posten der bisherigen Finanzministerin Natalie Jaresko übernehmen solle, weil Luzenko im Unterschied zu Groisman Englisch spreche. Dies sei notwendig, um die Verhandlungen mit dem IWF über neue Kredite für das Land zu führen. Das Parlament soll am Dienstag zunächst über die Entlassung des bisherigen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk entscheiden.

Der Präsident drohte den Abgeordneten mit Neuwahlen, wenn sie nicht diese Woche einen neuen Ministerpräsidenten wählen. „Anderenfalls wird das Parlament aufgelöst“, sagte sein Vertreter in der Obersten Rada, Stepan Kubiw. Der Oppositionsblock fordert Neuwahlen.

Wegen des Streits erklärte die Fraktion von Jazenjuks Volksfront die Einigung mit dem Poroschenko-Block auf eine Koalition für hinfällig. Vizefraktionschefin Wiktorija Sjumar sagte, man fordere einen neuen Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten. Für die Neuwahl sind 226 der nominell 450 Abgeordneten der Obersten Rada notwendig.

Solange kein neuer Regierungschef gewählt ist, führt Jazenjuk kommissarisch die Geschäfte weiter. Er hatte am Sonntag seinen Rücktritt erklärt. Die Ukraine ist faktisch pleite und konnte den Staatsbankrott nur abwenden, weil der IWF seine Regeln zur Kreditvergabe geändert habe.

Der Gouverneur von Odessa, Georgiens Ex-Präsident Michail Saakaschwili, rief das Parlament auf, gegen Groisman zu stimmen. „Die Regierung wird von Anfang an handlungsunfähig und korrumpiert sein“, warnte er. Saakaschwili warf der Führung vor, nicht eines der Reformversprechen nach den Maidan-Protesten 2013/14 gehalten zu haben. „Wir treten endlos auf der Stelle“, betonte er.

Der 38-jährige Groisman hatte am Montag zunächst gesagt, er sei bereit, Regierungschef zu werden und an der Spitze einer neuen Koalition Reformen voranzutreiben. Sollte er gewählt werden, wolle er den Kurs der europäischen Integration des Landes fortsetzen.

Die USA betonten die Notwendigkeit von Reformen in der Ukraine. „Es ist wichtig, dass die Rada sobald wie möglich ein neues Kabinett unterstützt, das bereit ist, Reformen umzusetzen, vor allem solche, die vom IWF sowie der EU empfohlen werden“, sagte Vizeaußenamtssprecher Mark Toner in Washington. Der Präsident, der Regierungschef und die Regierung müssten ihren Streit beenden.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...