45 Prozent der Italiener finden, Renzi sollte wegen Interessenkonflikten zurücktreten, zeigt eine Umfrage der La Repubblica. Mit 40 Prozent Zustimmung bleibt er zwar der beliebteste politische Führer in Italien, doch es gibt Zeichen dafür, dass er besorgt sein sollte: Das ihm entgegen gebrachte Vertrauen ist viel niedriger als im Juni 2014 als er 74 Prozent Zustimmung erhielt. Zudem zeigt die Umfrage, das aktuell Protestparteien wie die Fünf-Sterne-Bewegung eine Wahl gewinnen würden.
„Die Zeit und dieser Abschnitt zeigen, dass der Wechsel erkennbar ist“, kommentierte Meinungsforscher Ilvo Diamanti, der die Umfrage durchgeführt hatte. Es sei „fast ein Wendepunkt“. Der 41-jährige ehemalige Bürgermeister von Florenz kam schnell zu Macht, ohne jemals eine Wahl zu gewinnen. Premier wurde er, weil sein Vorgänger Enrico Letta zurücktrat.
Jetzt hat er mit verschiedenen Problemen zu kämpfen: Sein Kabinett hat mit dem Rücktritt von Industrieministerin Federica Guidi wegen eines angeblichen Interessenkonflikts einen Rückschlag erlitten.
Von der Polizei abgehörte Telefongespräche sollen belegen, dass Guidi ihrem Partner Gianluca Gemelli darüber informierte, dass die Regierung einen für Gemelli geschäftlich vorteilhaften Gesetzentwurf billigen werde. Dieser hatte günstige Auswirkungen auf Pläne zur Entwicklung eines Ölfeldes, in die Gemelli involviert war. In einem Schreiben an Ministerpräsident Matteo Renzi nannte Guidi politische Gründe für ihren Abgang und wies den Vorwurf eines Fehlverhaltens zurück. Oppositionsparteien forderten wegen der Affäre einen Rücktritt der kompletten Regierung. Vor einem Jahr war bereits Verkehrsminister Maurizio Lupi zurückgetreten. Auch ihm wurden Interessenkonflikte vorgehalten, und zwar im Zusammenhang mit der Verteilung öffentlicher Aufträge.
Einen kleinen Erfolg konnte Renzi am Sonntag feiern: In Italien ist ein Referendum über weniger Öl- und Gasförderungen in küstennahen Gebieten gescheitert. Laut Innenministerium hätten sich nur etwa 30 Prozent der Stimmberechtigten an der Volksbefragung beteiligt. Erforderlich wären aber mindestens 50 Prozent plus eine Stimme gewesen. Renzi hatte die Bevölkerung im Vorfeld aufgerufen, dem Votum fern zu bleiben.
Zudem wird der EU-Deal mit der Türkei und dem Ende der Balkanroute Italien in den Fokus der Schlepperbanden stellen. In Libyen warten bereits hunderttausende auf eine Überfahrt nach Italien. Gleichzeitig sperrt Österreich den Brennertunnel ab und kündigt Grenzkontrollen an.
Weitere Probleme warten im Juni bei den Wahlen in Mailand, Rom und Neapel. Nur in Mailand werden seiner Partei Chancen zugerechnet.
Die wirtschaftliche Situation gibt auch Anlass zur Sorge: Italien ist hochverschuldet und konnte nur mit der Gründung eines Staatsfonds seine maroden Banken retten. In Neapel gab es dagegen schwere Ausschreitungen.
*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***