Nach dem Votum der Briten für einen Ausstieg aus der EU ruft Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) zu einem verantwortungsvollen und ruhigen Umgang mit den Folgen des Referendums auf. Oberstes Ziel sei es bei den anstehenden Verhandlungen, für den Schutz der EU zu sorgen und diese für die Zukunft fit zu machen, berichtet die AFP. „Das Referendum hat natürlich Folgen für uns alle in Europa“, sagte Altmaier. Jedoch wüssten weder die Bundesregierung noch die Institutionen in Brüssel, wie es nun weitergehe.
„Niemand hat die Konsequenzen einer Rückabwicklung eines solchen Beitrittsvertrages durchdacht“, sagte er bei der Mitgliederversammlung der Europäischen Bewegung am Montag in Berlin.
Es müsse zunächst abgewartet werden, welche britische Regierung den Austritt nach Artikel 50 der Europäischen Verträge initiieren werde. Der derzeitige britische Premierminister David Cameron hatte nach dem Ausgang des Referendums am Freitag seinen Rücktritt für Oktober erklärt. Erst sein Nachfolger soll den Austritt erklären. Wer das sein wird, ist bisher noch offen.
Auffällig sei, dass viele Volksentscheide über die EU in den Mitgliedsstaaten „schief“ gegangen wären, sagte Altmaier. Schuld daran hätten auch die politischen Eliten gehabt, die häufig „einfach abgetaucht sind, wenn es darum geht, auch einmal Europa zu verteidigen und im Fall Europas einmal positiv zu argumentieren“.
Die EU werde auf Dauer „nicht überleben und nicht funktionsfähig bleiben“, wenn Politiker - egal ob links oder rechts - den Bürgern nicht erklären können, welche Vorteile Europa bringe, fügte der Kanzleramtschef hinzu.
Angesichts der Vielzahl von Reaktionen auf den Brexit in der EU hat Regierungssprecher Steffen Seibert die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten zur Geschlossenheit aufgerufen. Wenn die Kanzlerin für eine besonnene Reaktion werbe, dann habe sie damit „natürlich vor allem einen Appell an die 27 künftig dann verbleibenden Mitgliedstaaten gerichtet“, sagte Steffen Seibert am Montag in Berlin.
„Denn unser Interesse ist es doch, dass wir jetzt nicht eine europäische Vielstimmigkeit zeigen, sondern, dass wir möglichst zu einer gemeinsamen Reaktion auf diese Herausforderungen kommen“, fügte er hinzu. Auf dem EU-Gipfel am Dienstag und Mittwoch müssten die Positionen der 27 Länder „zusammengeführt werden“.
Mit Blick auf den Zeitplan für die Abwicklung des britischen Austritts warnte Merkel vor einer „Hängepartie“. Wenn die britische Regierung aber eine „überschaubare Zeit braucht, respektieren wir das“, sagte Seibert weiter. Konkrete Fristen wollte er nicht nennen.
Am Wochenende hatte Merkel signalisiert, das Tempo der Austrittsverhandlungen Großbritanniens mit der EU sei für sie nicht entscheidend. „Ehrlich gesagt soll es nicht ewig dauern, das ist richtig, aber ich würde mich auch nicht wegen einer kurzen Zeit verkämpfen“, sagte Merkel nach der Klausur von CDU und CSU in Potsdam.
Seibert betonte am Montag, dass es vor Einreichen des offiziellen Austrittswunsches durch Großbritannien „keine Vorgespräche“ über die Modalitäten des Ausscheidens geben werde.
Seit dem Brexit-Votum wird Großbritannien von EU-Vertretern und den Regierungen anderer Mitgliedstaaten gedrängt, das formelle Austrittsgesuch rasch einzureichen (Video am Anfang des Artikels ab Minute 6). In Brüssel wird jedoch nicht damit gerechnet, dass Premier David Cameron das Gesuch bereits beim EU-Gipfel am Dienstag einreicht. Cameron hat seinen Rücktritt bis Oktober angekündigt und will den Schritt seinem Nachfolger überlassen.