In einer interessanten Analyse befasst sich die Helaba mit der Wechselkursentwicklung des britischen Pfund:
Die Wähler haben gesprochen, und am meisten überrascht zeigen sich offensichtlich die Befürworter eines Brexit. Nach dem Rücktritt von Premierminister Cameron erklären sich erst mit einiger Verzögerung einige bereit, für die Nachfolge im September zu kandidieren. Innenministerin Theresa May gilt als wichtigste Anwärterin aus dem Lager der EU-Befürworter. Nach dem überraschenden Verzicht des ehemaligen Londoner Bürgermeister Johnson haben auch die Chancen für Justizminister Gove gelitten. Die Abgeordnete Andrea Leadsom gilt derzeit als aussichtsreichste Kandidatin der Brexit-Anhänger. Wer auch immer gewinnt, erst dieser neue Premier soll den Antrag auf den EU-Austritt stellen.
Laut EU-Kommission sollen die Verhandlungen nach einem britischen Antrag beginnen, der wohl frühestens im September eingereicht wird. Die politischen Unsicherheiten könnten selbst ohne potentielle Streitigkeiten zwischen EU und Großbritannien kaum größer sein. Bei der britischen Opposition sieht es kaum besser aus: Die Fraktion der Labour-Partei sprach ihrem Vorsitzenden Corbyn das Misstrauen aus, der weigert sich aber zurückzutreten. Die schottischen Nationalisten erwägen ein neues Unabhängigkeitsreferendum. Derweil gibt es auch Spekulationen, ob der Brexit noch abgewendet werden kann.
Rechtlich bindend ist das Referendum zwar nicht. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass die Regierung bzw. das Parlament den Volkswillen ignoriert, zumal die politischen Folgen in Form von Parteispaltungen, Verlust von Regierungsmehrheiten etc. noch heftiger ausfallen könnten.
Die Finanzmärkte stabilisierten sich nach dem ersten Schock wieder etwas. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich nach der jüngsten Aufhellung die Konjunkturdaten in Großbritannien in den nächsten Monaten erheblich eintrüben – der schwache Einkaufsmanagerindex für den Bausektorgab ein erstes Anzeichen – werden, selbst wenn eine klare Rezession wohl vermieden werden kann.
Die Bank of England wird vermutlich expansive Maßnahmen ergreifen, wie ihr Chef Carney nun andeutete. So sollte eine Zinssenkung nicht überraschen. Schwaches Wachstum, rückläufige Zinsen und eine politische Unsicherheit, die sich zumindest für Großbritannien nicht so schnell wieder auflösen wird, sprechen für eine weitere Pfund-Abwertung. Zudem benötigt das Land aufgrund seines deutlichen Leistungsbilanzdefizits Kapital aus dem Ausland. Langfristige Bewertungsindikatoren signalisieren noch keine Extremwerte, so dass zusätzliches Verlustpotenzial besteht.
Daher wird das Pfund in den nächsten Monaten wohl weiter abwerten. Aufgrund der ebenfalls vorhandenen Unsicherheiten in der Währungsunion wird die britische Währung vermutlich stärker gegenüber dem US-Dollar verlieren als gegenüber dem Euro. Dennoch dürfte der Euro-Pfund-Kurs bis auf 0,90 ansteigen. Ein Pfund könnte von derzeit 1,31 in Richtung 1,10 US-Dollar fallen.