Nach dem Brexit-Votum bleibt bei den britischen Parteien kein Stein auf dem anderen. Als erste machen sich die Konservativen auf, eine neue Führung zu wählen und das Feld der Bewerber auszudünnen. Die Favoritin liegt weit vor allen Konkurrenten.
London (dpa) - In Großbritannien deutet vieles auf einen Machtkampf zwischen zwei Frauen um die Führung der konservativen Tories hin. Innenministerin Theresa May (59) brachte in der ersten Auswahlrunde am Dienstag mehr Abgeordnete der Partei hinter sich als alle ihre Rivalen zusammen. Stärkste Konkurrentin ist die Energie-Staatssekretärin Andrea Leadsom (53). Somit könnte erstmals seit dem Rückzug Margaret Thatchers 1990 wieder eine Frau als Premier in Downing Street 10 einziehen. Dagegen zeichnete sich bei der Labour-Partei keine Entspannung der Führungskrise ab.
Im Rennen um die Nachfolge des scheidenden Premierministers David Cameron schied am Dienstagabend als erster von fünf Bewerbern der ehemalige Verteidigungsminister Liam Fox aus: Er erhielt im ersten Wahlgang nur 16 Stimmen der konservativen Parlamentarier. Kurz darauf zog auch Arbeitsminister Stephen Crabb seine Kandidatur zurück, nachdem er nur 34 Abgeordnete von seinen Qualitäten hatte überzeugen können. Sowohl er als auch Fox sprachen May ihre Unterstützung aus.
Die als Favoritin ins Rennen gegangene Innenministerin landete mit 165 Stimmen weit vor ihrer ärgsten Verfolgerin Leadsom (66) und Justizminister Michael Gove (48). Den Kampf um den Vorsitz der Tories eingeläutet hatte Premierminister David Cameron, der nach seiner Niederlage beim EU-Referendum am 23. Juni angekündigt hatte, das Amt in den kommenden Monaten niederzulegen.
May hatte beim Brexit-Referendum eher verhalten für den Verbleib in der EU plädiert. Leadsom und Gove sind dagegen klare Austrittsbefürworter an. Die Chancen für die Energie-Staatssekretärin haben sich nach der Unterstützung durch den Brexit-Wortführer und Londoner Ex-Bürgermeister Boris Johnson erhöht - er hatte überraschend auf eine Kandidatur verzichtet.
May und Gove wollen - falls sie gewählt werden - sich bei Austrittsverhandlungen mit der EU Zeit lassen und mit der formellen Prozedur erst im nächsten Jahr beginnen. Leadsom will dagegen aufs Tempo drücken.
In den kommenden Tagen müssen die Tory-Abgeordneten das Feld auf zwei Kandidaten reduzieren. Diese beiden Duellanten stellen sich dann den rund 150 000 Parteimitgliedern zur Wahl. Bis spätestens 9. September soll die Personalfrage gelöst sein.
In der Labour-Partei macht der massiv unter Druck geratene Chef Jeremy Corbyn indes weiter keine Anstalten, von sich aus zu gehen. Zwar signalisierte die Abgeordnete Angela Eagle ihre Bereitschaft, den 67-Jährigen herauszufordern. Sie hat aber noch keine offiziellen Schritte unternommen.
Corbyn verweist beharrlich darauf, dass er erst vor neun Monaten von der Parteibasis mit breiter Mehrheit an die Spitze gewählt wurde. Er sei bereit, sich erneut einer Urwahl zu stellen. Kritische Parteikollegen fürchten, mit Corbyn an der Spitze künftige Wahlen zu verlieren. Sie werfen ihm auch vor, sich beim EU-Referendum nicht genug für den Verbleib Großbritanniens in der EU eingesetzt zu haben.