Politik

Goldman Sachs engagiert früheren EU-Präsidenten Barroso

Der ehemalige Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, wird Mitarbeiter bei Goldman Sachs in London. Der Portugiese soll sein „tiefes Verständnis von Europa“ in die Investment-Bank einbringen. Barroso soll Goldman offenbar beim Brexit unterstützen.
08.07.2016 17:06
Lesezeit: 2 min

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso arbeitet künftig für die US-Investmentbank Goldman Sachs in London. Der 60-jährige Barroso werde Berater und "Präsident ohne Geschäftsbereich" bei Goldman Sachs International mit Sitz in der britischen Hauptstadt, teilte die Bank am Freitag mit. "José Manuel bringt eine enorme Erfahrung mit und vor allem ein tiefes Verständnis von Europa."

Barroso war von 2002 bis 2004 Regierungschef von Portugal. Danach leitete der Konservative bis 2014 die EU-Kommission in Brüssel. Seinen Job bei Goldman Sachs beginnt er mitten im Trubel um das Brexit-Referendum. US-Banken trifft das Votum Großbritanniens für ein Ausscheiden aus der EU besonders. Sie nutzen das englischsprachige Finanzzentrum London bislang als Eintrittspforte zur Europäischen Union. Barroso soll Goldman offenbar Wege zeigen, wie die Arbeitsbedingungen der Bank optimal gestaltet werden können.

Barroso war in seiner Brüsseler Zeit unter anderem wegen seiner Nähe zum griechischen Oligarchen Spiros Latsis in die Kritik geraten. Der Tagesanzeiger aus Zürich berichtete im Jahr 2012: "2004 verbrachte der heutige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso samt Familie eine Woche auf dem Traumschiff – gratis und franko. Barroso und Spiros Latsis kannten sich schon lange, sie haben in London gemeinsam studiert. Peinlich war, dass kurz nach den Jachtferien in Brüssel strengere Umweltvorschriften für griechische Schiffe verhindert wurden. Entscheide, in die Barroso teilweise persönlich involviert war. Barroso überstand später einen Misstrauensantrag im EU-Parlament mit dem Argument, er sei zur Zeit des Urlaubs noch nicht EU-Präsident gewesen."

Der heute in Bellevue bei Genf lebende Latsis sei "einer der größten Profiteure der Rettungsaktion" gewesen. Dem reichsten Mann Griechenlands "gehören neben der zweitgrößten Bank Griechenlands, der EFG Eurobank, auch eine Reederei, eine Immobiliengesellschaft, 30 Prozent an Hellenic Petrolium sowie Immobilien in der ganzen Welt. Zwölf Milliarden Euro steckte seine Bank in die griechischen Staatsschulden, 48 Milliarden haben private griechische Schuldner bei ihm ausstehen. Von denen sind heute nicht mehr alle solvent – aus diesem Grund wäre Latsis’ Bank in Griechenland ohne die Hilfe Europas zusammengebrochen."

Der Spiegel schrieb über Barroso, als dieser stolz auf seine Erfolge bei der Senkung des portugiesischen Defizits verwies, dass die Leistung Barrosos in diesem Zusammenhang vor allem im kreativen Umgang mit Zahlen bestand: "Statt vor allem die Ausgaben zu senken, um so zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, behalf sich seine Regierung damit, die Bilanz durch sogenannte Sondereinnahmen aufzubessern. Erst ließ Barroso staatliche Beteiligungen verkaufen, nachdem er die Geschäfte übernommen hatte, dann zapfte er die Pensionskasse des staatseigenen Postunternehmens an. Als auch das nicht mehr reichte, ließ er ein Gesetz verabschieden, das es ihm erlaubte, künftige Steuerzahlungen an der Börse zu verkaufen."

Sven Giegold, Berichterstatter im Europäischen Parlament für den Initiativbericht "Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen", kommentiert: "Diese elendigen Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft nähren die Zweifel an der Gemeinwohlorientierung der Politik. Mit seinem schnellen Seitenwechsel beschädigt Barroso nachträglich das Image der EU-Kommission. Wir brauchen dringend eine längere Karenzzeit für EU- Kommissare. Seitenwechsel mit Interessenkonflikten sollten erst drei Jahre nach Ende der politischen Amtszeit möglich sein. Diese Karenzzeit fordere ich auch in meinem Bericht für mehr Transparenz und Integrität in den EU-Institutionen."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wenn Kunden nicht zahlen: So sichern Sie Ihre Liquidität
18.07.2025

Alarmierende Zahlen: Offene Forderungen in Deutschland sprengen die 50-Milliarden-Euro-Marke. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie...