CSRD-Berichtspflicht: Was ist das überhaupt?
Für viele Betriebe ist die Verschiebung eine Atempause – aber keine Entwarnung. Denn die Anforderungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bleiben bestehen, nur der Takt hat sich geändert. Große Konzerne reichen ihre Berichte später ein, doch der Druck verteilt sich längst nach unten: Banken, Investoren und Geschäftspartner wollen schon heute wissen, wie ernst es ein Unternehmen mit Nachhaltigkeit meint.
Die CSRD ist mehr als ein neues Berichtssystem – sie ist ein Paradigmenwechsel. Erstmals verpflichtet Brüssel auch mittelgroße Unternehmen, detailliert darzulegen, wie sie mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen, kurz ESG, umgehen – von CO₂-Emissionen über Energieverbrauch bis hin zu Arbeitsbedingungen und Menschenrechten in der Lieferkette. Ziel ist nicht weniger als ein neues Maß an Transparenz in der europäischen Wirtschaft. EU-Kommissarin Mairead McGuinness formuliert es so: „Die CSRD ermöglicht es, den Erfolg von Unternehmen nicht nur in finanzieller Hinsicht zu messen, sondern auch zu beurteilen, wie sie sich auf Mensch und Umwelt auswirken.“
Was nach edlen Zielen klingt, wird in der Praxis zur Mammutaufgabe. Nach den neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die Details der Nachhaltigkeitsberichterstattung regeln, sollen große Unternehmen künftig über 1.000 (teils rund 1.200) Datenpunkte erfassen – ein Aufwand, der selbst Konzerne an ihre Grenzen bringt.
Der Zeitplan: Zwei Jahre Aufschub für CSRD-Berichtspflicht
Ursprünglich sollten alle großen Unternehmen bereits ab 2025 berichten. Nach massiver Kritik aus der Wirtschaft hat Brüssel die Fristen nun um zwei Jahre verschoben. Zuerst sind die großen Konzerne an der Reihe, die schon nach der alten EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (NFRD) berichtspflichtig waren: Sie legen ihre Berichte für das Geschäftsjahr 2024 im Jahr 2025 vor.
Alle übrigen großen Unternehmen – mit mehr als 250 Beschäftigten oder über 40 Millionen Euro Umsatz bzw. 20 Millionen Euro Bilanzsumme – folgen ab dem Geschäftsjahr 2027, ihre ersten Berichte erscheinen 2028. Börsennotierte KMU sind erst ab dem Geschäftsjahr 2028 berichtspflichtig, also mit Veröffentlichung 2029.
Der „Quick-Fix“ – die Bürokratiebremse
Um den Einstieg zu erleichtern, hat die EU zusätzlich einen sogenannten „Quick-Fix“ beschlossen – einen delegierten Rechtsakt, der Unternehmen der ersten Berichtswelle vorübergehend entlastet. Sie dürfen bis 2027 bestimmte Themenbereiche ausklammern, darunter:
- Biodiversität und Ökosysteme (ESRS E4)
- Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette (ESRS S2)
- Betroffene Gemeinschaften (ESRS S3)
- Verbraucher und Endnutzende (ESRS S4)
Ab 2028 greifen alle Pflichten vollständig. Der Quick-Fix ist also kein Kurswechsel – aber man räumt der Wirtschaft Zeit ein, interne Systeme aufzubauen und die Bürokratie zu verdauen.
Warum auch KMU von der CSRD-Berichtspflicht betroffen sind
Offiziell gilt die CSRD nur für große Unternehmen. Doch in der Praxis sind auch kleine und mittlere Betriebe indirekt von der neuen Richtlinie betroffen. Warum? Großunternehmen können ihre Berichte nur erstellen, wenn sie Daten aus ihrer gesamten Lieferkette erhalten. Das bedeutet: Auch ein mittelständisches Unternehmen, das selbst nicht berichtspflichtig ist, muss dennoch Nachhaltigkeitsinformationen liefern – etwa zu Energieverbrauch, Abfall oder Arbeitsbedingungen.
Ein Beispiel: Ein Zulieferer aus Baden-Württemberg produziert Knöpfe für einen großen Textilkonzern. Dieser Konzern ist CSRD-pflichtig und muss nachweisen, wie umweltfreundlich und sozial verantwortlich seine Lieferkette ist. Also fordert er von seinem Lieferanten ESG-Daten. Der kleine Betrieb muss liefern – sonst verliert er Aufträge. So zieht sich die Informationskette durch die gesamte Wirtschaft.
Der neue Standard für KMU: VSME
Um die Informationsanforderungen an KMU abzumildern, hat die EU am 30. Juli 2025 den VSME (Voluntary Standard for Small and Medium-Sized Enterprises) vorgestellt. Der VSME ist eine Kommissions-Empfehlung, kein verpflichtender Standard. Er richtet sich an KMU, die nicht gesetzlich berichtspflichtig sind, aber regelmäßig ESG-Daten liefern müssen – etwa für Kredite, Versicherungen oder Ausschreibungen.
Der VSME ist kostenlos, einfach und modular: Das Basismodul deckt Themen wie Energieverbrauch, Emissionen, Wasser, Abfall und Arbeitsbedingungen ab. Das Zusatzmodul ermöglicht eine freiwillige Vertiefung zu Klimarisiken, Diversität oder Menschenrechten. Begleitend stellt die EU digitale Vorlagen und Tools bereit. Damit können KMU ihre Daten strukturiert erfassen, ohne sich durch hunderte Seiten Regulierung zu kämpfen. Was bisher als bürokratisches Monster galt, wird so zumindest handhabbarer.
Wirtschaftliche Folgen: Mehr Aufwand & Kosten
Doch trotz aller Bemühungen: Kritiker werfen Brüssel vor, mit der CSRD die Bürokratie in Europa weiter aufzublähen. Selbst mit VSME, Aufschub und Quick-Fix bleibe die Umsetzung kostspielig: Software, Schulungen, Prüferhonorare – all das summiert sich schnell auf fünfstellige Beträge.
Branchenverbände warnen: Besonders der Mittelstand dürfe nicht zwischen EU-Ambition und Verwaltungsrealität erdrückt werden. „Wir brauchen Verlässlichkeit, nicht ständig neue Fristen und Standards“, heißt es aus der Industrie.
CSRD-Berichtspflicht als Effizienztreiber
Doch es gibt auch positive Effekte. Umfragen (u. a. TÜV 2024) zeigen: Nachhaltigkeitsprogramme können die Effizienz steigern, Kosten senken und das Unternehmensimage verbessern – ein Vorteil bei Finanzierung und Ausschreibungen. Denn wer seine Daten kennt, versteht sein Geschäft. Nachhaltigkeitsberichte zwingen Unternehmen, Energieflüsse, Lieferketten und Kostenstrukturen systematisch offenzulegen. Das kostet Aufwand – aber es schafft Transparenz, und Transparenz bringt Wettbewerbsvorteile.
Gerade der Mittelstand hat das begriffen. Laut der Studie „ESG und Nachhaltigkeit im Mittelstand 2025“ berichten inzwischen rund 62-Prozent der KMU freiwillig über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten. Ganze 65-Prozent nutzen ESG-Maßnahmen gezielt, um Prozesse zu optimieren und Energiekosten zu senken. Der Trend ist klar: Nachhaltigkeit wird nicht mehr als Zwang empfunden, sondern als Chance.
CSRD-Berichtspflicht: Was Unternehmen jetzt konkret tun sollten
Wer jetzt handelt, verschafft sich einen Vorsprung. Denn die CSRD-Berichtspflicht ist nur verschoben – nicht aufgehoben. Und in einem Markt, in dem Kunden, Investoren und Kreditgeber zunehmend nach belastbaren ESG-Daten fragen, gilt: Wer vorbereitet ist, gewinnt Zeit, Vertrauen und Kapital.
Eigentlich hätte die Bundesregierung die EU-Vorgaben zur CSRD bis Juli 2024 in nationales Recht überführen müssen – doch das ist nicht geschehen. Erst im Juli 2025 legte das Justizministerium einen Entwurf vor, der vorsieht, die Berichtspflicht nur auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden auszudehnen. Ob diese Grenze tatsächlich kommt, ist offen. Bis dahin sollten sich Unternehmen an den EU-Vorgaben orientieren.
1. Frühzeitig Verantwortlichkeiten klären
Auch wenn die Berichtspflicht verschoben wurde, sollten Unternehmen jetzt festlegen, wer intern für Nachhaltigkeitsdaten verantwortlich ist. Ob Controlling, Nachhaltigkeitsbeauftragte oder eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe – klare Zuständigkeiten verhindern späteren Stress und Informationslücken. Wichtig ist, dass ESG-Themen nicht als reines Compliance-Thema gesehen werden, sondern eng mit Strategie und Finanzen verzahnt sind.
2. Bestandsaufnahme der verfügbaren Daten durchführen
Viele Unternehmen merken erst spät, dass wichtige Informationen gar nicht systematisch erfasst werden. Eine simple Gap-Analyse zeigt schnell, welche ESG-Daten bereits vorhanden sind, welche fehlen und welche Prozesse angepasst werden müssen. Der Aufwand lohnt sich: Wer seine Datenstruktur früh im Griff hat, spart später Kosten für externe Berater und ad-hoc-Lösungen.
3. Lieferanten frühzeitig einbinden
Da die CSRD die gesamte Wertschöpfungskette betrifft, ist Transparenz in der Lieferkette entscheidend. Unternehmen sollten jetzt mit Partnern und Zulieferern klären, welche Informationen künftig benötigt werden. Frühzeitige Kommunikation reduziert Konflikte und verhindert Verzögerungen bei der Berichterstellung. Gerade KMU profitieren davon, wenn sie ihren eigenen Datenerfassungsprozess auf einfache Vorlagen wie den VSME stützen.
4. Digitale Tools sinnvoll auswählen
Der Markt für ESG-Software wächst rasant. Für viele Betriebe genügt jedoch zu Beginn ein einfaches Tool zur strukturierten Datensammlung. Wichtig ist nicht die teuerste Lösung, sondern eine Software, die zu den eigenen Prozessen passt. Unternehmen sollten deshalb klein starten, Erfahrungen sammeln und erst dann in größere Systeme investieren.
5. Chancen aktiv nutzen statt Pflichten nur zu erfüllen
Die CSRD ist nicht nur Bürokratie. Wer Energieflüsse, Emissionen oder Lieferketten detailliert analysiert, entdeckt oft Einsparpotenziale und Effizienzgewinne. Unternehmen, die Nachhaltigkeit strategisch denken, verbessern ihre Marktposition – gerade bei der Finanzierung. Banken reagieren positiv auf klare ESG-Daten, weil sie Risiken besser einschätzen können.
6. Frühzeitig mit Prüfern sprechen
Die CSRD-Berichte sind prüfungspflichtig. Deshalb sollten Unternehmen schon in der Vorbereitungsphase Kontakt zu Wirtschaftsprüfern oder zertifizierten Nachhaltigkeitsprüfern aufnehmen. So lassen sich Unsicherheiten vermeiden und Anforderungen frühzeitig klären – ein wichtiger Schritt, um spätere Nachbesserungen und zusätzliche Kosten zu verhindern.
7. Kommunikation strategisch planen
Nachhaltigkeitsberichte sollten nicht einfach im Pflichtverzeichnis verschwinden. Unternehmen, die ihre ESG-Maßnahmen transparent kommunizieren, stärken Vertrauen bei Kunden, Beschäftigten und Investoren. Ein klarer Kommunikationsplan – von der Webseite bis zum Geschäftsbericht – macht Nachhaltigkeit greifbar und erhöht die Sichtbarkeit im Markt.
Verschiebung der CSRD-Berichtspflicht bringt Zeit
Die Verschiebung der CSRD schafft Luft. Doch für Unternehmen bleibt das Thema Nachhaltigkeit ein zentraler Wettbewerbsfaktor, unabhängig vom politischen Tempo in Brüssel oder Berlin. Wer jetzt Strukturen aufbaut, Daten systematisiert und seine Lieferkette einbindet, reduziert Risiken und gewinnt Handlungssicherheit. Gleichzeitig entstehen Chancen: Effizienzsteigerungen, bessere Finanzierungskonditionen und ein gestärktes Vertrauen am Markt. Die CSRD ist damit weniger eine bürokratische Pflicht, sondern ein Impuls, das eigene Geschäftsmodell zukunftsfähig zu machen. Unternehmen, die diesen Impuls nutzen, sichern sich den entscheidenden Vorsprung.

