Italiens Banken haben besonders viel ausfallgefährdete Kredite in ihren Büchern. Schätzungen gehen davon aus, dass die riskanten Papiere einen Umfang von etwa 360 Milliarden Euro haben – so viel wie in keinem anderen Bankensystem der Eurozone.
Da Banken durch die Vergabe von Krediten und Anleihen untereinander stark vernetzt sind, betreffen die Probleme italienischer Banken auch ausländische Geldinstitute. Man spricht hier von Kreditrisiko (Counterparty-Risk) oder Exposure. Aus einer Auflistung der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) geht hervor, welche Banken und Länder besonders stark in Italien investiert haben.
Mit weitem Abstand besitzen französische Banken die größten Ansprüche gegenüber italienischen Banken. Für das letzte Quartal 2015 betrug die Summe der Forderungen der BIZ zufolge über 278 Milliarden Dollar auf einer unmittelbaren Counterparty-Basis. Auf Platz 2 rangieren deutsche Institute, die Forderungen über 90 Milliarden Dollar hatten. Banken aus den USA hatten Gesamtforderungen von 50 Milliarden Dollar, während Kreditinstitute aus Spanien rund 48 Milliarden Dollar Exposure verzeichneten. Danach folgten Großbritannien, Japan und die Niederlande mit jeweils rund 30 Milliarden Dollar.
Angesichts der schwierigen Lage vieler Banken vor allem in Italien hat der Chefökonom der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, ein neues milliardenschweres Banken-Rettungsprogramm vorgeschlagen. «Mit 150 Milliarden Euro lassen sich die europäischen Banken rekapitalisieren», sagte er der «Welt am Sonntag». Die gesamte Branche sei derzeit unter einem großen Druck.
Besondere Aufmerksamkeit erfordere aber Italien. Berichte über einen Kapitalbedarf der dortigen Institute von 40 Milliarden Euro seien noch vorsichtig kalkuliert, meinte Folkerts-Landau. Erst am Freitag hatte die italienische Notenbank erklärt, das Land brauche ein öffentliches Sicherheitsnetz, das im Notfall greifen könne.
Seit dem Brexit-Votum in Großbritannien liegt der Fokus auf den angeschlagenen italienischen Banken. Am schlimmsten sieht es derzeit beim Traditionshaus Monte dei Paschi di Siena (MPS) aus, dessen Wert an der Börse zuletzt auf ein Rekordtief gefallen war.
Folkerts-Landau sagte, notfalls müsse für die Bankenrettung sogar ein Bruch der Regeln der neuen EU-Bankenrichtlinie akzeptiert werden. Eigentlich sollen nach den Erfahrungen der schweren Finanzkrise 2008/2009 staatliche Hilfen für angeschlagene Banken erst fließen dürfen, nachdem Aktionäre und private Gläubiger herangezogen wurden.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht faule Kredite in Italien ebenfalls als gravierendes Problem. Nach dem ersten Quartal habe die Notenbank eine Summe von 333 Milliarden Euro genannt. Krämer warnte: «Eine Beteiligung der Investoren nach den reinen Lehren der EU halten wir für ebenso unwahrscheinlich wie breit angelegte Staatshilfen.»
Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament kommentiert:
«Mit ihrer schamlosen Forderung nach neuen staatlichen Bankenrettungen, gefährdet die Deutsche Bank das Vertrauen in das gesamte Bankensystem.
Wer schon wieder die Haftung des Steuerzahlers für Krisenbanken fordert, stellt die Marktwirtschaft im Finanzsektor grundsätzlich in Frage. Der Staat soll erneut die Suppe auslöffeln, die sich die Banken selbst eingebrockt haben. Eine Renaissance von Bankenrettungen auf Steuerzahlerkosten darf es in Europa nicht geben.
Bankenrettungen, die Steuerzahler zur Kasse bitten, aber Gläubiger verschonen sind in Europa nach der Finanzkrise rechtlich unmöglich. Die Deutsche Bank fordert den Bruch von europäischem Recht. Die pauschale Aussetzung der Gläubigerhaftung sind unter der EU-Bankenrichtlinie aus guten Gründen an enge Voraussetzungen geknüpft. Diese Bedingungen sind nicht gegeben.
Folkerts-Landau widerspricht sich hier selbst: Wenn die italienischen Banken wegen fauler Kredite insolvent sind, schließt das europäische Recht Bankhilfen ohne Gläubigerbeteiligung aus.
Die Deutsche Bank hat jedoch Recht, wenn sie eine neue Welle von Krisenbanken befürchtet. Die EZB kann die Krise in Europa alleine nicht lösen und gefährdet mit ihren Niedrigzinsen auch stabile Banken, Versicherungen und die betriebliche Alterssicherung. Wir brauchen dringend eine aktive und gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik in der Eurozone. Die wirtschaftspolitische Arbeitsverweigerung der wichtigsten Mitgliedsländer ist unverantwortlich.
Die EU-Kommission muss endlich weitreichende Vorschläge vorlegen und damit die Mitgliedsländer zur Positionierung zu zwingen. Eine europäische Investitionspolitik muss überschüssiges Kapital in langfristig orientierte Investitionen lenken. Mit der Energiewende und dringenden Aufgaben im Bildungs- und Gesundheitssektor ist ein europäisches Investitionsprogramm ökonomisch vernünftig und sozial wie ökologisch geboten. Wir brauchen den Green New Deal. Wir dürfen nicht in eine neue Bankenkrise schlafwandeln, sondern sollten mit nachhaltigen Investitionen den Banken Luft verschaffen.»
Mit seinem letzten Punkt spricht Giegold die Untätigkeit der italienischen Regierung an: Diese hat seit Jahren den Anstieg der faulen Kredite untätig beobachtet, wie die Grafik zeigt. Statt die Gläubiger mit einem Moratorium zur Vernunft zu rufen, hat Premier Matteo Renzi zugelassen, dass weiter Coupons bezahlt werden. Wegen der hohen Staatsverschuldung ist Italien jedoch nicht mehr in der Lage, die Banken mit Steuergeldern allein zu retten - weshalb die Finanzindustrie nun nach einer Vergemeinschaftung der Kosten ruft. Für Renzi ist die Lage besonders brenzlig: Denn es besteht die Gefahr, dass sich - wie in Griechenland - die großen Player aus Italien mit einem blauen Auge verabschieden, und am Ende die kleinen Sparer und die regionalen Bond-Holder rasiert werden müssen.