Investoren beginnen damit, Gelder in hohem Umfang aus Europa abzuziehen und hauptsächlich in verschiedenen Anlageklassen in den USA zu investieren. Wie Financial Times berichtet, mussten Europas Aktienfonds in der Woche zum 13. Juli mit rund 5,8 Milliarden Dollar die höchsten Abflüsse seit Beginn der Aufzeichnungen registrieren. Der bisherige Rekord der wöchentlichen Kapital-Abflüsse vom Oktober 2014 wurde dadurch eingestellt. Das Phänomen ist nicht neu, hat sich aber intensiviert – bereits seit März registrieren die europäischen Aktienfonds Netto-Abflüsse.
Begründet wird die Entwicklung mit zunehmenden Sorgen der Investoren im Hinblick auf die Schieflage im italienischen Bankensektor. Auf diesen entfallen mit geschätzt 360 Milliarden Euro an ausfallgefährdeten Krediten rund ein Drittel aller problematischen Papiere in Europa. Kurzfristig würden rund 45 Milliarden Euro benötigt, um die betroffenen italienischen Institute zu stützen, sagen Beobachter. Über geeignete Maßnahmen ist zwischen der EU-Kommission und Ländern wie Deutschland und den Niederlanden einerseits und dem italienischen Premierminister und der EU-Bankenlobby andererseits eine Diskussion entbrannt, die für zusätzliche Unsicherheit sorgt. Ohnehin herrscht auf dem Kontinent derzeit eine hohe Unsicherheit als Folge des Entscheids der Briten, die EU zu verlassen.
Größter Profiteur der Krisen in Europa sind offenbar die USA. Die Manager ihrer Aktienfonds konnten sich über hohe Neugelder freuen. Etwa 12,6 Milliarden Dollar sollen in der vergangenen Woche in US-amerikanische Aktienfonds geflossen sei – so viel wie zuletzt im September 2015. Auch andere Anlageklassen meldeten deutliche Zuflüsse – dazu gehörten laut FT Anleihe-Fonds für Unternehmen, Städte und Kommunen sowie für Banken.
„Bedenken hinsichtlich der italienischen Banken treten auf. Die Investoren sagen sich ‚ich bin von der politischen Unsicherheit in Europa entnervt‘ und schichten ihre Gelder in US-Aktien um“, wird ein Manager der Vermögensverwaltung der UBS zitiert.
Die Aktienmärkt befinden sich rund drei Wochen nach der Brexit-Entscheidung – die kurzfristig zu hohen Verlusten geführt hatte – wieder auf hohem Niveau. Der breit gefasste US-Leitindex S&P 500 hat inzwischen ein neues Allzeithoch erreicht. Die dahinterstehende Logik der Anleger äußert sich in der Hoffnung, dass die Notenbanken durch die vom Brexit ausgelöste Konjunkturdelle zur Fortführung ihres ultraexpansiven Kurses gezwungen werden. Es besteht außerdem der Verdacht, dass Zentralbanken die Kurse durch umfangreiche Käufe künstlich in die Höhe treiben.