Nach dem Brexit-Votum wird für die USA das geplante Freihandelsabkommen mit der EU weniger interessant. Großbritannien sei ein „sehr wichtiger Teil der EU“ und habe „wesentlichen Anteil“ an der Attraktivität von TTIP, sagte der US-Handelsbeauftragte Michael Froman. Deutsche Wirtschaftsvertreter betonten, gerade nach dem britischen Referendum für einen EU-Austritt sei TTIP von großer Bedeutung. Ob ein Verhandlungsabschluss 2016 gelingen kann, ist weiter offen.
Nach Großbritannien gehen laut Froman 25 Prozent der US-Exporte in Richtung Europäische Union. Die USA müssten nun darüber nachdenken, was das Land der EU anbiete und von ihr fordere, „weil am Ende des Tages ein ausgeglichenes Abkommen nötig ist“, sagte der Handelsbeauftragte am Donnerstag vor Journalisten. Wenn Großbritannien als fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt aus der „Gleichung“ herausgenommen werde, habe dies „Einfluss auf die Balance“.
Der deutsche Maschinenbauverband VDMA erklärte am Freitag, nach dem Brexit-Votum sei „TTIP wichtiger denn je für die europäische Industrie“. Ein Abschluss des Abkommens „wäre ein wichtiges Signal an Unternehmen und Investoren, dass Europa sich für den künftigen Wettbewerb auf dem Weltmarkt wappnet“, erklärte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. „Die Europäische Union muss beweisen, dass sie trotz der politischen Krise nach dem Brexit-Votum handlungsfähig ist.“
Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, verlangte zusätzliche Anstrengungen für den Abschluss von TTIP. Die Verhandlungspartner müssten „mit gestärktem politischem Willen“ vorgehen, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Schweitzer warnte, dass durch das Brexit-Votum neue Unsicherheiten entstünden. „Deshalb kommt der Kooperation mit den USA, unserem wichtigsten Handelspartner, eine erhöhte Bedeutung zu.“
SPD-Vize Ralf Stegner zeigte sich allerdings skeptisch, dass ein Abschluss von TTIP noch gelingen wird. Es gebe keinerlei Fortschritte in den Verhandlungen, weil sich die US-Seite nicht bewege, sagte er dem Tagesspiegel. „Wenn das so bleibt - und alles andere käme einem Wunder gleich - wird es keine Zustimmung der SPD geben können“, sagte Stegner.
EU-Kommission und US-Regierung verhandeln bereits seit 2013 über das geplante Freihandelsabkommen. Am Freitag ging in Brüssel die 14. Verhandlungsrunde zu Ende. Beide Seiten bekräftigten anschließend ihren Willen zu einem zügigen Abschluss - allerdings gelang es nicht konsolidierte Texte zu allen 30 Verhandlungskapitel fertigzustellen. Das hatten die Partner eigentlich erreichen wollen, um die Verhandlungen wie geplant noch in diesem Jahr zu beenden.
EU-Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero und sein US-Kollege Dan Mullaney äußerten sich nur verhalten optimistisch zum Einhalten des Zeitplans. Sie wiesen darauf hin, dass die schwierigsten Verhandlungspunkte noch ausstünden.
TTIP soll der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks einen enormen Schub geben, indem Zölle und andere Handelshemmnisse abgebaut werden. Kritiker befürchten, dass Standards im Verbraucher- und Umweltschutz gesenkt werden und die Gentechnik in Europa Einzug hält.