Russlands Präsident Putin hat nach dem gescheiterten Putsch-Versuch seine Unterstützung für den türkischen Präsidenten Erdogan bekräftigt: „Wladimir Putin sagte im Zusammenhang mit einer kleinen Gruppe, die in der Nacht zum 16. Juli die demokratisch gewählten türkischen Autoritäten stürzen wollte, dass Russlands Haupthaltung für verfassungsfeindlicher Handlungen und Gewaltanwendungen in das Leben eines Landes für kategorisch inakzeptabel hält (…) Recep Tayyip Erdogan wurde angesichts der Opfer unter den Zivilisten und Strafverfolgungsbehörden, die sich gegen die Putschisten erhoben hatten, Beileid ausgesprochen“, zitiert die Nachrichtenagentur Tass den Kreml aus einer Mitteilung.
Die BRICS Post analysiert, dass der Putschversuch in der Türkei sich eindeutig gegen die Interessen Russlands richtete. Doch Russland müsse aus dem Putschversuch seine Lehren ziehen, denn Russland und die Türkei seien sich politisch-strukturell sehr ähnlich und es gebe keine Garantie dafür, dass nicht auch Russland Zielscheibe eines Putschversuchs werden könnte.
„Ein Bruch zwischen Ankara und den NATO-Staaten hat sich nun seit Monaten erweitert und die Tatsache, dass der vermeintliche Drahtzieher des Putsches sich in den USA befindet, lässt Öl ins Feuer gießen. Diese Krise ist eine einzigartige Gelegenheit für Moskau, sich als Ankaras wichtigsten Verbündeten zu positionieren, indem Unterstützung für Erdogans Festigung seiner Macht gegeben wird und das Vorgehen gegen seine Gegner, was bereits auf dem Weg ist, ignoriert wird, was wiederum der Westen nicht machen würde. Eine weitere Entfremdung zwischen Ankara und Europa und den USA könnte sehr vorteilhaft für Moskau sein, insbesondere in Bezug auf die Beziehungen zu Europa.“
Brüssel sei zunehmend frustriert über die Unfähigkeit der Türkei, den Flüchtlingsstrom nach Europa zu stoppen und könnte deshalb um politische Unterstützung in Moskau buhlen. Zahlreiche europäische Politiker hatten zuvor vorgeschlagen, dass Putin der beste Partner wäre, um das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen, so die BRICS Post.
Das Blatt wörtlich: „Allerdings wurde die Idee kontinuierlich abgebürstet. Brüssel kann auf diesen Vorschlag zurückkommen, wenn Russland eine mächtige Vermittlerrolle zur Türkei übernimmt. Auf diese Weise könnte Russland Hebel sowohl in der Türkei als auch in Syrien haben, die zwei Voraussetzungen für den Umgang mit der Flüchtlingskrise sind.“
Zahlreiche deutsche Politiker gingen nach dem Putsch-Versuch auf Distanz zu Erdogan. Wenn Erdogan die Situation ausnutze, "um weitere Verfassungsrechte einzuschränken, dann werden die Beitrittsverhandlungen schwierig bis unmöglich", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), dem Handelsblatt.
Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hat den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gewarnt, nach dem gescheiterten Militärputsch die demokratischen Grundrechte weiter einzuschränken. "Ich erwarte, dass wir unsere Kooperation streng nach rechtsstaatlichen Prinzipien und gemäß unserer Werte fortsetzen", sagte Oettinger der Welt.
Sollte Erdogan den Putsch nun nutzen, um die demokratischen Grundrechte in der Türkei weiter einzuschränken, entferne er sich von den Werten der EU und der Nato, sagte der EU-Kommissar. "Er würde damit seine Position zwar innenpolitisch stärken, doch er würde sich außenpolitisch isolieren", warnte Oettinger.
Der Putschversuch sei auch kein Grund, dem türkischen Staat mehr Handlungsfähigkeit im Anti-Terror-Kampf zu geben. "Putschisten sind Straftäter, doch sie sind keine Terroristen", sagte der Digitalkommissar. "Die Minderheiten im Parlament sowie die Medien im Land brauchen Freiheiten. Die sollten nicht eingeschränkt werden."
Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU), forderte die türkische Regierung auf, die demokratischen Prinzipien einzuhalten. Unrecht dürfe nicht mit Unrecht bekämpft werden, sagte er dem Blatt. "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein undemokratischer Staat Mitglied der EU wird." SU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte, nun die Beitrittsverhandlungen ernsthaft zu überdenken. "Wer es spätestens bis jetzt nicht gemerkt hat: Die EU-Türkei-Politik muss vollständig auf den Prüfstand."
SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: "Die Bundeskanzlerin muss sich deutlicher äußern als sie das in der Vergangenheit getan hat." Zudem müsse es auch öffentliche Signale geben, etwa Treffen mit der Opposition. "Ich kann der Kanzlerin nur raten, das gesamte türkische Parlament zur Kenntnis zu nehmen", sagte Mützenich.
Eine Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen lehnte er ab. "Die Verhandlungen sind immer noch ein Instrument, um auf die Verhältnisse in der Türkei einzuwirken", sagte Mützenich. Die Gespräche würden aber durch das Vorgehen der Regierung in Ankara erschwert.
Die EU hatte ihre Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt im Juni ausgeweitet. Beide Seiten vereinbarten damals den Beginn von Gesprächen über Verhandlungskapitel 33 zu Haushaltsfragen. Die Eröffnung hatten die EU-Staats- und Regierungschefs Ankara im März im Gegenzug für die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland versprochen.