Politik

Istanbul: Demo gegen Putsch und Ausnahmezustand

In Istanbul haben tausende Menschen gegen den Putsch und gegen den Ausnahmezustand protestiert. Sie fordern Frieden und Demokratie für die Türkei. Interessant: Trotz des Ausnahmezustands konnte die friedliche Demo völlig ungestört stattfinden.
24.07.2016 00:58
Lesezeit: 2 min
Istanbul: Demo gegen Putsch und Ausnahmezustand
Die Demonstration am Samstag im Gezi-Park in Istanbul. (Screenshot)

Tausende prokurdische Demonstranten haben am Samstag in Istanbul sowohl gegen den Putschversuch in der Türkei als auch gegen die Reaktion von Staatschef Recep Tayyip Erdogan protestiert. Auf einem Spruchband an der Rednertribüne stand "Nein zum Putsch, Demokratie sofort" zu lesen, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Zu der Kundgebung hatte die wichtigste türkische Kurdenpartei HDP aufgerufen. Die HDP hatte unmittelbar nach dem Putschversuch die Regierung Erdogan vorbehaltlos unterstützt.

HDP-Chef Selahattin Demirtas kritisierte vor den Demonstranten Erdogans Entscheidung, die Dauer des zulässigen Polizeigewahrsams auf 30 Tage auszudehnen. "Ein 30-tägiger Gewahrsam läuft auf Folter an sich hinaus", sagte der Parteichef und studierte Anwalt.

"Gegen den Putsch zu kämpfen ist richtig, legitim, gerechtfertigt. Aber die Maßnahmen, die Sie ergriffen haben, werden den Weg für mehr Ungerechtigkeiten ebnen", sagte Demirtas an die Adresse der Regierung in Ankara laut afp. Der Parteichef rief dazu auf, von "Wut, Hass und Polarisierung" Abstand zu nehmen. "Die Gesellschaft erwartet von uns Frieden."

Die 30-jährige Demonstrantin Latifa sagte: "Wir wollen keinen Staatsstreich des Militärs." Erdogans Politik fördere die Demokratie allerdings auch nicht.

"Wir wollen Demokratie, aber nicht seine Demokratie", hob die Demonstrantin hervor.

Vor gut einer Woche hatten Teile des türkischen Militärs versucht, Erdogan zu stürzen. Der Putschversuch wurde niedergeschlagen. Erdogan beschuldigt den in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen und seine Anhänger, hinter dem Umsturzversuch zu stehen. Seine Regierung geht nun massiv gegen die Gülen-Bewegung vor. Erdogan verhängte außerdem einen Ausnahmezustand, so dass er per Dekret unter Umgehung des Parlaments regieren kann.

Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei soll die Präsidentengarde aufgelöst werden. Das sagte der türkische Regierungschef Binali Yildirim am Samstagabend dem Sender A Haber. "Es wird keine Präsidentengarde mehr geben, sie hat keinen Zweck, es gibt keinen Bedarf", begründete der Ministerpräsident den Schritt.

Am Freitag war mitgeteilt worden, dass im Zusammenhang mit dem Putschversuch Haftbefehl gegen 300 Mitglieder der Präsidentengarde erlassen wurde. Nach Informationen des Fernsehsenders CNN-Türk wurden auf dieser Grundlage bereits 283 Mitglieder der Präsidentengarde festgenommen. Der Elitetruppe hat insgesamt bis zu 2500 Mitglieder.

Teile der Armee hatten vor gut einer Woche einen Putschversuch gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gestartet, der schnell niedergeschlagen wurde. Erdogan beschuldigt den in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen und seine Anhänger, hinter dem Umsturzversuch zu stehen. Als Konsequenz verhängte Erdogan einen Ausnahmezustand.

Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei ist ein wichtiger Mitarbeiter des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen festgenommen worden. Hails Hanci sei in der Schwarzmeer-Provinz Trabzon festgenommen worden, teilte ein Regierungsvertreter am Samstagabend mit.

Dieser sei die "rechte Hand" Gülens und kümmere sich um den Transfer von Geldern an Gülen.

Hanci sei "anscheinend" zwei Tage vor dem Putschversuch in die Türkei gekommen, sagte der Regierungsvertreter. Am Samstag war ebenfalls bekannt geworden, dass Gülens Neffe, Muhammet Sait Gülen, in Gewahrsam genommen wurde.

Der türkische Staatschef Erdogan beschuldigt Gülen und seine Anhänger, hinter dem Umsturzversuch vor rund einer Woche zu stehen. Gülen weist dies zurück. In einem ersten Dekret seit Ausrufung des Ausnahmezustands ordnete Erdogan am Samstag die Schließung tausender Einrichtungen mit mutmaßlichen Verbindungen zur Bewegung seines einstigen Weggefährten an. Demnach werden 1043 Privatschulen, 1229 Vereine und Stiftungen, 19 Gewerkschaften und Verbände und 35 Gesundheitseinrichtungen geschlossen, die zu Gülens Hizmet-Bewegung gehören sollen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...