Politik

Schweizer Schriftsteller verteidigen Grass: „Auch Deutsche haben Recht auf Meinungsfreiheit“

Mehrere Schweizer Schriftsteller haben Günter Grass gegen die Attacken in Deutschland verteidigt. Allen voran Adolf Muschg, der in der medialen Einheitsfront gegen Grass Parallelen zum "Fall Wulff" erkennt.
08.04.2012 22:55
Lesezeit: 1 min

Nach dem israelischen Historiker Tom Segev (hier) ergreifen nun auch Schweizer Schriftsteller Partei für Günter Grass: Der Schriftsteller Adolf Muschg schreibt in einem Beitrag für den "Sonntag", das er nicht verstehe, warum man sich nicht inhaltlich mit dem "ernstgemeinten Beitrag" von Grass beschäftige. Muschg sieht eine Menge "Selbstgefälligkeit", nicht nur bei Grass, sondern auch bei den Medien. Er analysiert dann sehr scharfsinnig die neue Rolle, die die Medien seit dem Fall Wulff in ihrem Selbstverständnis einnehmen: "Das deutet auch auf einen Generationenwechsel in den Redaktionen. Wer die Welt immer noch als Intellektueller sieht wie Graß – nämlich: als Verpflichtung zur moralischen Intervention – ist ein notorischer Schulmeister, der sich selbst maßlos überschätzt und besser vor der eigenen Tür kehren würde. Als Moraltrompeter ist er eine Figur von Vorgestern und bemächtigt sich einer Aufmerksamkeit, die er nicht verdient: so urteilt dieselbe Macht, die sie ihm verschafft hat. Und sie ist, in Sachen öffentlicher Kultur, spätestens seit der Affäre Wulff von der vierten im Staate zur ersten geworden."

Muschg fordert eine sachliche Auseinandersetzung mit Grass' Israel-Kritik und fragt: "Warum führt die Brandwarnung – selbst wenn sie unbegründet wäre – nicht weiter als bis zur Hinrichtung des Feuermelders?"

Andere Schweizer Autoren wie Klaus Merz und Lukas Bärfuss üben zwar auch Kritik am umstrittenen Gedicht, sehen Grass aber ebenfalls nicht als Antisemiten. Pedro Lenz schreibt: "Ich erkenne, selbst nach mehrmaliger und sorgfältiger Lektüre des Gedichts, keine antisemitischen Aussagen darin. Die politischen Ansichten in seinem Gedicht scheinen mir absolut nachvollziehbar und legitim."

Und der jüdische Schriftsteller Charles Lewinsky meint einem Bericht des "Sonntag" zufolge: "Wenn man den Begriff der Meinungsfreiheit ernst nimmt, dann darf man das natürlich. Auch wenn man Deutscher ist. Auch wenn man Grass heisst. Nein, als antisemitisch empfinde ich das 'Gedicht' nicht. Nur als peinlich realitätsfremd."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wenn Kunden nicht zahlen: So sichern Sie Ihre Liquidität
18.07.2025

Alarmierende Zahlen: Offene Forderungen in Deutschland sprengen die 50-Milliarden-Euro-Marke. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie...