Der französische Präsident Francois Hollande fühlt sich nach den Ergebnissen des EU-Gipfels als klarer Sieger gegenüber Merkel. Er war nicht wie Nicolas Sarkozy versucht, Schulter an Schulter mit der Kanzlerin aufzutreten. Das ist kein Wunder, schließlich muss er den Franzosen einen starken, durchsetzungsfähigen Präsidenten präsentieren, um die dringend notwendige Sanierung des eigenen Haushalts umsetzen zu können. Doch die Art und Weise, wie die französische Regierung dies zu tun gedenkt, ist höchst fragwürdig – und zwar nicht nur unter den besser betuchten Franzosen.
Die Verschuldung des Landes stieg im ersten Quartal um 72,4 Milliarden Euro auf 89,3 Prozent des BIP. Und am Sonntagabend teilte der französische Finanzminister Pierre Moscovici mit, dass die Regierung ihre Wachstumsprognosen von 0,7 auf 0,4 Prozent in diesem Jahr und von 1,7 auf 1 bis 1,3 Prozent im kommenden Jahr gesenkt hat. Angesichts dieser Entwicklung könnte Frankreich das nächste Land in der Schusslinie der Finanzmärkte sein – vor allem mit Blick auf das Engagement französischer Banken in Italien und Spanien. Dies im Hinterkopf kann Francois Hollande das Zugeständnis Angela Merkel zur direkten Rekapitalisierung der Banken durch den ESM und den Kauf von Anleihen über den ESM nur recht sein.
Bis zu 10 Milliarden Euro muss die französische Regierung noch in diesem Jahr einsparen um das Defizitziel von 4,5 Prozent zu erreichen. Der Nachtragshaushalt, der die Wege dorthin aufzeigen soll, wird für Mittwoch erwartet. „Es ist der Moment, um die großen Strukturreformen, die Frankreich benötigt, durchzusetzen“, sagte der neue Premier Jean-Marc Ayrault der Zeitung Journal du Dimanche. „Wir werden nicht drei Jahre warten, um das zu tun“.
Die geplanten Maßnahmen zur Stopfung des Finanzlochs sind jedoch alles andere als allgemein willkommen. Die französische Regierung will eine Reihe von Steuererhöhungen durchsetzen, die vor allem die großen Unternehmen und die reichen Franzosen treffen sollen. So soll es eine dreiprozentige Steuer auf Dividenden geben, eine Erhöhung der Vermögens- und Erbschaftssteuer, höhere Sozialabgaben auf Boni und beispielsweise extra Steuern für Banken. Gleichzeitig jedoch erhöhte die Regierung den Mindestlohn für bestimmte Branchen. Darüber hinaus will Francois Hollande notwendige Stellenkürzungen bei Beamten in einigen Branchen durch Neueinstellungen in der Justiz, bei der Sicherheit und der Bildung ausgleichen – ein interessanter Weg der Ausgabenkürzung. 65.000 Neueinstellungen sollen in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden.
Den Vorstellungen zur Ausgabenkürzung und Umsetzung von erforderlichen Strukturreformen der Europäischen Kommission entsprechen diese Maßnahmen in jedem Falle nicht. Vielmehr verlangt die Kommission von Frankreich, die hohen Arbeitskosten zu senken und die stark regulierten Arbeits- und Produktmärkte zu liberalisieren. Eine Erhöhung der Steuer und des Mindestlohns, die Neueinstellungen in staatlichen Organisationen und eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte, wie sie die französischen Minister vorantreiben wollen, dürfte Konfliktmaterial bereit halten.