Die Untersuchungsbehörden im Londoner Manipulations-Skandal um die Libor-Festsetzung haben den Anwälten einiger verdächtiger Trader mitgeteilt, dass es in den nächsten Wochen zu den ersten Verhaftungen kommen solle. Diese Praxis ist nicht ungewöhnlich: Auf diesem Wege versuchen die Behörden, die verdächtigen Trader zur Zusammenarbeit zu bewegen - was unter Umständen strafmildernd wirken kann. Informationen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sollen sich unter den Verdächtigen, die eine erste Verhaftung treffen könnte, auch zwei ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Bank befinden. Die Deutsche Bank wollte dazu keine Stellungnahme abgeben. Der neue Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain, war viele Jahre Chef des Investment-Bankings in London gewesen. Auch gegen die Deutsche Bank laufen, wie gegen mehrere internationale Großbanken, Ermittlungen wegen der Manipulationen. Zuletzt war der Chef von Barclay's, Bob Diamond, wegen des Skandals zurückgetreten. Er hatte zunächst versucht, die Schuld einigen Tradern in die Schuhe zu schieben und hatte gesagt, er wisse von nichts. Schließlich machte er zu seinem Rücktritt ein Memo öffentlich, aus dem hervorgeht, dass es eine politische Intervention gegeben habe soll, die von der Bank of England an Diamond gerichtet worden sei (hier).
Für die Ermittlungsbehörden wäre die Zusammenarbeit mit einzelnen Tradern von großem Wert. Denn normalerweise werden bei Vorfällen dieser Dimension gerne ein paar Sündenböcke aus den unteren Chargen als die alleinigen Schuldigen benannt. Systemische Mängel werden so nicht offengelegt. Die Deutsche Bank strebt den Status eines Kronzeugen in dem Verfahren an. Zwar gehen Kenner der Materie in der Deutschen Bank nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten davon aus, dass der Nachweis eines konkreten Schadens durch die Manipulationen nur sehr schwer rechtsfest zu erbringen ist. Daher herrscht im Hinblick auf die zivilrechtlichen Verfahren, die gegen die Deutsche Bank in den USA laufen, eine gewisse Gelassenheit in der Bank. Allerdings ist man sich offenkundig bewußt, dass der Skandal nicht nur zu erheblichen Strafzahlungen, sondern vor allem zu einem großen Vertrauensverlust der Deutschen Bank führen kann. Daher ist die Bank um eine möglichst weitgehende Kooperation mit den Behörden bemüht.
Die zwei verdächtigen Mitarbeiter arbeiten schon seit längerem nicht mehr für die Deutsche Bank. Eine der beiden könnte jedoch als Angestellter einer Schweizer Schattenbank auch nach seinem Ausscheiden aus der Deutschen Bank Gebrauch von seinem Insider-Wissen im Libor-Business gemacht haben (mehr dazu hier). Anders als die Deutsche Bank oder Barclays operieren die Schattenbanken jedoch gänzlich unter dem Radar der Regulierer - was die Wahrheitsfindung für die Ermittler doch sehr erschweren dürfte.
Zumal andere Beteiligte alles tun, um angesichts einer bevorstehenden strafrechtlichen Verfolgung ihre Haut zu retten. Die hat der Britische Bankenverband (BBA) - also die zentrale Banken-Lobbyvereinigung - einem Bericht des Finanzblogs Zerohedge zufolge, still und leise seine offiziellen Texte zur Verantwortlichkeit bei der Libor-Erstellung verändert. Nun stellt die BBA den Wokflow so dar, als wären die Berichte der Banken mehr oder weniger direkt an Thompson Reuters übermittelt worden - ohne direkte Verantworlichkeit der BBA. In der alten Fassung, die noch bis vor wenigen Tagen offiziell publiziert wurde, stand dagegen, dass das Reporting an die BBA zu erfolgen habe (mehr dazu hier bei ZH).