Politik

Brüssel wird muslimisch: Juden verlassen die Stadt

Die Maimonides Schule ist die älteste jüdische Schule in Brüssel. Nun muss sie schließen oder umziehen, denn in der Innenstadt Brüssels fühlen sich Juden nicht mehr sicher.
22.01.2013 00:04
Lesezeit: 2 min

Die Maimonides Schule in der Brüsseler Innenstadt wurde 1947 als Zeichen der Wiederkehr des jüdischen Lebens errichtet. Rund 60 Jahre später kämpft die Schule ums Überleben. Sie muss geschlossen werden oder sich einen neuen Standort suchen. Denn die Gegend in Brüssel, in der die Schule liegt, hat sich im Lauf der vergangenen Jahre zu einem überwiegend muslimischen Stadtteil entwickelt. Die Juden sahen sich immer stärkeren Anfeindungen ausgesetzt. Die Folge: Ein dramatischer Rückgang der jüdischen Bevölkerung und damit auch ein kaum lösbare Situation für die Schule, schreibt Pamela Geller auf ihrem Blog.

Die Juden haben das Zentrum der Stadt verlassen und sind in die Vororte Brüssels gezogen. „Die Geschichte von Maimonides ist die Geschichte der jüdischen Community von Brüssel und ihres wachsenden Unbehagens“, erklärt Joel Rubinfeld, ehemaliger Maimonides Schüler und Vize-Vorsitzender des European Jewish Parliament, der Times of Israel. An die Stelle der Juden wanderten in die Innenstadt Brüssels vor allem muslimische Immigranten ein. Insbesondere der Gaza-Konflikt habe hier verstärkt zu Antisemitismus geführt. Eltern bevorzugten es, ihre Kinder auf andere Schulen zu schicken. Das Problem der Schule ist nun ein Sicherheitsproblem.

„Die Gegend hat eine migrantische Bevölkerung, die Juden nicht gerade positiv gesinnt ist“, meint auch Agnes Bensimon, eine Sprecherin der israelischen Botschaft in Brüssel. Für die Maimonides-Schule bedeutet das womöglich schon bald das Ende. Die jüdische Schule verzeichnet immer weniger Anmeldungen. Derzeit belaufen sich die Schulden an öffentliche Stellen auf acht Millionen Dollar. Schon dieses Jahr könne die Schule schließen müssen. Um dies zu verhindern, wird nun ein Umzug in Betracht gezogen - ebenfalls in die Vororte der Stadt.

Ähnliche Zustände seien in Frankreich und Holland vorzufinden. Besonders, wenn Juden zu erkennen seien, beispielsweise an einer Kippa, könnten sie sich nicht mehr in bestimmte Gegenden trauen. „Mit einer Kippa umherzulaufen, ist in vielen europäischen Städten gefährlich“, so Rubinfeld. Auch in Berlin kam es erst im August zu einem Übergriff auf einen Rabbiner durch Jugendliche.

Update (21.01.2013):

Ein Leser hat uns auf einen interessanten Artikel hingewiesen: Die Schule ist hoch verschuldet, weil das Stadtzentrum durch die offenbar nicht koordinierte Einwanderungspolitik weitgehend verarmt ist. Auch deshalb ist die Schule unter Druck geraten und überlegt die Verlegung in die Außenbezirke, in denen die vor allem bürgerliche Milieus existieren. Neben dem Sicherheits-Aspekt gibt es demnach auch eine wirtschaftliche Dimension. Die jüdische Wochenzeitung Tachles schreibt dazu:

"Gemäss einem Bericht in der belgischen Zeitung La Capitale tragen die Verantwortlichen der jüdischen Schule Maimonide in Brüssel sich mit dem Gedanken, an einen neuen Standort zu wechseln. Grund für diese Entwicklung sollen Sicherheitsüberlegungen der Eltern bezüglich des heutigen Standorts sein. Die Schule, die sich am Boulevard Poincaré unweit der Bahnstation Midi in der belgischen Hauptstadt befindet, musste in den letzten Jahren einen ständigen Rückgang an Schülern in Kauf nehmen. ,Die Nachbarschaft hat an Qualität laufend abgenommen', sagte Jacques Wajc, Vorstandspräsident der Schule, La Capitale gegenüber. Heute leben in dieser ärmlichen Gegend von Brüssel viele Einwanderer aus muslimischen und nicht-muslimischen Ländern, dazu Bettler, Drogenhändler und einige Arbeiterinnen des ältesten Gewerbes der Welt, die ihr Geschäft illegal ausserhalb der von der Regierung regulierten Prostitutions-Zone betreiben.

Diese Umstände hätten nach Wajc dazu geführt, dass viele Eltern ihre Kinder aus Angst um deren Sicherheit nicht mehr in der Maimonide-Schule einschreiben. Die Schule, die laut La Capitale dem belgischen Staat und den Wohlfahrtsbehörden des Landes rund acht Millionen Dollar schuldet, hat den Plan eines Umzugs schon seit einigen Jahren diskutiert, doch nun scheint der Schritt unvermeidlich geworden zu sein. Einen Zeitpunkt für Umsetzung des Plans in die Tat nennt die Zeitung allerdings nicht. Im Gegensatz zu der im Stadtzentrum von Brüssel gelegenen Maimonide-Schule befinden sich die beiden anderen jüdischen Bildungsinstitute der Stadt in den relativ wohlhabenden Aussenquartieren Uccle und Forest, wo auch die meisten der rund zehntausend Juden der Stadt leben."

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