Staatswirtschaft und globalisierte Privatwirtschaft – das ist wie Feuer und Wasser. Dies zeigt sich besonders eindrucksvoll am Streit von ARD und ZDF mit den Kabelbetreibern Kabel Deutschland und Unitymedia. Zum Jahresende haben die Sender eine Vereinbarung gekündigt, die jährlich 60 Millionen Euro in die Kassen der von internationalen Medien-Konzernen betriebenen Kabel-Anbieter gespielt haben. Kabel Deutschland hat besonders rustikal reagiert: Kabel-Kunden empfangen auf einmal nur noch eine Auswahl von Dritten Programmen, ARD und ZDF sind nur noch in schlechter Qualität zu empfangen.
Regionalzeitungen wie die Frankenpost berichten von verwirrten und aufgebrachten Kunden, die die Läden der örtlichen Elektrohändler stürmen, weil sie glauben, die Geräte seien kaputt. Vor allem Norddeutschland und Teile Bayerns sind betroffen.
Der Hintergrund des Giganten-Kampfs ist der Streit um das sogenannte Einspeisungsentgelt. Anders als das Staatsunternehmen Deutsche Telekom verlangen Kabel Deutschland und Unitymedia Geld dafür, dass sie die Öffentlich-Rechtlichen im vollen Umfang im Kabel zeigen. Diese wähnen sich auf der sicheren Seite – weil es, wie es sich für die Staatswirtschaft gehört, ein entsprechendes Gesetz gibt. Unter dem Begriff „must carry“ sind die Kabelbetreiber verpflichtet, die öffentlich-rechtlichen Programme aufzunehmen. In welchem Umfang ist nicht geregelt, ebenso existiert offenbar eine Gesetzeslücke in der Frage, ob die Sender für diesen gesetzlich vorgeschriebenen Dienst zahlen sollen.
Die Sender agieren gewohnt selbstbewusst: Die Kabelbetreiber sollten froh sein, dass sie das hochwertige Programm bringen dürfen. Die einseitige Kündigung hat vor allem Kabel Deutschland erbost. Das Unternehmen vertritt den Standpunkt, dass die Einspeiseregelung selbstverständlich eine Bezahlung beinhalte. Zahlreiche Gerichtsverfahren laufen. Bezahlt werden die Anwälte von den Steuerzahlern und den Kunden. Dumm bloß, wenn ein Kabel-Abonnent beides in einem ist. Dann zahlt er nämlich doppelt dafür, dass die Politik sich in inkompetenter Weise in einen Markt eingemischt hat, bei dem sie zu langsam ist, um die Entwicklung wirklich beurteilen zu können.
Ursprünglich war das Entgelt der Sender dafür gedacht, den Medien-Multis den Ausbau der Kabel-Netze zu finanzieren. Nun zeigt sich, dass das einst ungeliebte Kabel ein Bombengeschäft ist. Genüsslich berichtet die ARD über die „Mega-Dividende“ bei Kabel Deutschland – um unterschwellig Stimmung zu machen: Die Kabel-Betreiber hätten jetzt, da die Netze mit Steuergeldern errichtet seien, überhaupt keinen Anlass, von den Sendern Geld zu verlangen.
Es fällt schwer, in dem Streit Sympathie für eine der Parteien zu empfinden: Die öffentlich-rechtlichen Sender haben ihren „Grundauftrag“ in weiser Voraussicht gesetzlich absichern lassen. Willfährig haben die Politiker, die auch in den Gremien sitzen, die Gesetze beschlossen. Schließlich wollen sie ihre Botschaften auf den Staatssendern auch im Kabel verbreitet wissen.
Die Kabelbetreiber wiederum haben ein einziges Interesse: den maximalen Profit. Warum Steuergelder aus den Rundfunkgebühren dazu verwendet werden sollen, die Gewinne eines Medien-Tycoons wie John Malone zu mehren, leuchtet nicht ein. Es ist jedoch auch unlogisch, dass die Satelliten-Firmen Geld von den Sendern bekommen und die Kabel-Betreiber nicht.
Im Ergebnis hat der Streit dazu geführt, dass die Kunden – oft ältere Leute, denen das Fernsehen ihr Ein und Alles ist – von beiden Seiten als Spielball behandelt werden.
Der Konflikt zeigt jedoch vor allem, dass es nie funktioniert, wenn der Staat gleichzeitig als Regulierer und als Akteur auftritt. Mit dem umstrittenen neuen Rundfunkbeitrag (hier) hat sich in Form der Öffentlich-Rechtlichen ein unbeherrschbarer „Staat im Staate“ herausgebildet. Die Sender wollen ihre Gebühr mit aller Härte eintreiben (mehr hier) und verlangen daher von privaten Unternehmen, dass sie sich ihren Ansprüchen zu unterwerfen haben.
Das Kabelgeschäft ist in Deutschland nur dann lukrativ, wenn die Betreiber möglichst alle Programme zeigen können. Weil es schon so viele öffentlich-rechtliche Sender gibt, ist kein Platz für mehr private TV-Sender. Die Möglichkeiten der Kabel-Riesen, selbst als Programmanbieter aufzutreten, sind begrenzt. Auch sind die Multis nicht gerade die Anbeiter, die sich der deutsche Medien-Konsument unbedingt wünschen sollte. Die Vorstellung, dass Vodafone am Kabelgeschäft interessiert ist und auch durch Inhalte dem Staatsunternehmen Telekom Konkurrenz machen soll, ist wenig erfreulich.
Die in Kürze erwarteten erste Gerichtsurteile werden daher von grundsätzlicher Bedeutung sein: Entscheiden die Gerichte im Sinn von ARD und ZDF, ist neben der Zwangsgebühr auch die Zwangsverbreitung vorgeschrieben. In guter kapitalistischer Tradition werden die Kabel-Betreiber dann früher oder später die Preise erhöhen. Fallen die Urteile zu Gunsten der Kabel-Betreiber aus, muss der Steuerzahler sehenden Auges hinnehmen, dass sein Geld dafür verwendet wird, dass er empfangen darf, wofür er eigentlich schon gezahlt hat. Er zahlt heute ohnehin schon doppelt: Die GEZ-Nachfolge muss jeder entrichten. Zugleich muss jeder entweder über Satellit oder Kabel dafür zahlen, dass die Zwangsbeglückung auch ins Haus geliefert wird.
Der Fluch der „Demokratie-Abgabe“ besteht darin, dass sie nicht nur dazu dient, die Leute mit einem intransparenten Riesen-Apparat zwanghaft zu beglücken. Auch die Zustellung muss extra bezahlt werden. Es ist eigentlich ein Wunder, dass es noch Leute gibt, die sich neben diesen enormen Kosten auch noch freiwillig Pay-TV leisten. Es muss sich um eine Art Todestrieb handeln, bei dem Brot und Spiele zu einem Abhängigkeits-Verhältnis geführt haben.
Weil es um viel Geld geht, ist die kollektive Drogen-Sucht– leider – im Interesse aller an diesem Streit Beteiligten.