Am Mittwochabend war es soweit: Deutschland und Großbritannien hatten erreicht, dass das Schengen-Abkommen reformiert wird. Jedes Land kann nun wieder im Alleingang die eigenen Grenzkontrollen wieder einführen. Die EU gibt damit die viel gelobte und ursprünglich durch genau dieses Abkommen intendierte Reisefreiheit auf.
Stabilität und Sicherheit soll die neue Reform bringen, sagte der EU-Minister für Justiz und Verteidigung nach der Entscheidung der Kommission, des Parlaments und der EU-Staaten (hier). Doch für die Grünen-Politikerin im EU-Parlament, Ska Keller, bedeutet es die „Gefahr, (…) dass die Reisefreiheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger langsam ausgehöhlt wird.“
Mit dem neuen Beschluss sei man hinter die Idee das Schengen-Abkommen als „gemeinschaftliches Gut“ anzusehen, zurückgefallen“, sagte Ska Keller der Deutschen Welle:
„Die Kommission bekommt dadurch eine marginal größere Rolle, weil sie die Maßnahmen der Mitgliedsstaaten überwachen soll. Allerdings werden jetzt weitere Gründe eingeführt, die Mitgliedsländer vorbringen können, um die Grenzen zu schließen - nämlich wenn andere Schengen-Mitglieder angeblich große Defizite bei der Grenzsicherung aufweisen. Das ist ein sehr weiches Kriterium, das alles und nichts heißen kann.“
Auf die Frage, ob nicht alle Länder bei der Wiedereinführung der Grenzkontrollen in einem Land zustimmen müssten und die Kommission nicht sogar das letzte Wort hätte, antwortete Ska:
„Wie in der Vergangenheit schon deutlich wurde, ist die Grenzsicherung sehr schnell eingesetzt worden, nicht nur wenn Gefahr im Verzug war. Ein Fußballspiel oder ein Papstbesuch haben als Gründe ausgereicht, dass Grenzen geschlossen wurden. Und es gibt jetzt keinen effektiven Mechanismus mehr, dass man das verhindert. Und letztendlich sind immer noch die Mitgliedsstaaten diejenigen, die am Hebel sitzen und für sich entscheiden können, ob sie die Grenzen zumachen oder nicht.“
Die Kommission hat hier nun nur mehr eine Statistenrolle (hier).
Besonders kritisch sieht Keller die Rolle des deutschen Innenministers Friedrich, der sich genau für eine solche Aufweichung des Schengen-Abkommens wiederholt eingesetzt hat (mehr hier):
„Ich finde die deutsche Position sehr verlogen. Als Dänemark vor zwei Jahren die Grenze zu Deutschland dicht gemacht hat, gab es einen großen Aufschrei, auch von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Alle haben gesagt, dass das, was Dänemark da machte, nicht sein könne und man das nicht machen dürfe. Aber wenn es um Pläne geht, die eigenen Grenzen dicht zu machen, macht die Bundesregierung immer gerne mit. Ich halte das für eine fatale Position.“
Zudem sei es nur ein kleiner Anteil aller Flüchtlinge, der tatsächlich nach Europa kommen: etwa neun Prozent, so Keller. „Wir können uns nicht hinstellen und sagen: Wir sind Ziel von Massenmigration.“