Politik

IWF gesteht: Wir haben beim Griechenland-Bailout gelogen

Lesezeit: 2 min
06.06.2013 01:30
Der IWF gibt zu, dass von Anfang an klar war, dass die Schulden Griechenlands nicht tragfähig waren. Dennoch habe man dies in der Öffentlichkeit falsch dargestellt, so ein geheimer IWF-Bericht. Davon hätten letztlich die Euro-Banken und die internationalen Hedge-Fonds profitiert.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Seit Jahren sind die Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland regelmäßig viel zu positiv. Nun stellt sich heraus, dass es sich bei den Fehlprognosen nicht um versehentliche Fehler handelt. In einem geheimen Dokument gibt der IWF zu, die Daten zu Griechenland geschönt zu haben.

In einem internen Dokument mit dem Vermerk „streng vertraulich“ sagt der IWF, er habe die desaströsen Folgen seines Sparprogramms für die griechische Wirtschaft massiv unterschätzt. Doch die Troika habe mit ihrer Antwort auf die Krise eine Ansteckung der übrigen Euro-Staaten verhindert, zitiert das WSJ aus dem Bericht.

Der IWF sagt zudem, er habe die eigenen Regeln gebrochen, um Griechenlands wachsende Schulden tragfähig erscheinen zu lassen. Das Land habe damals drei von vier Kriterien des IWF nicht erfüllt, die für eine Unterstützung nötig gewesen wären.

Dies widerspricht Äußerungen von IWF-Chefin Christine Lagarde und anderen führenden Mitarbeitern. Sie hatten wiederholt gesagt, Griechenlands Schulden seien „tragfähig“ gewesen - das heißt, es sei wahrscheinlich, dass sie im vollem Umfang und zum Termin zurückgezahlt werden.

In dem Dokument heißt es, die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Griechenland-Rettung seien „so erheblich, dass die Mitarbeiter nicht dafür garantieren konnten, dass die öffentlichen Schulden mit hoher Wahrscheinlichkeit tragfähig seien“.

Der eigentliche Nutznießer des Bailouts Griechenlands durch die Troika im Jahre 2010 sei die Eurozone gewesen, so der geheime Bericht. Mit einem Umfang von 110 Milliarden Euro war die Griechenland-Hilfe eine der größten internationalen Rettungen, die es je gegeben hat. Die Rettung habe der Eurozone Zeit verschafft, um andere gefährdete Euro-Staaten zu schützen, und mögliche ernsthafte Folgen für die Weltwirtschaft abgewendet.

Außerdem wäre eine sofortige Umschuldung Griechenlands billiger für die europäischen Steuerzahler gewesen. Denn private Gläubiger wurden zwei Jahre lang in vollem Umfang ausgezahlt mit dem Geld, das sie Griechenland geliehen hatten. Griechenlands Schulden blieben unverändert, doch nun hatte das Land Schulden beim IWF und der Eurozone, nicht mehr bei Banken und Hedge Fonds.

Der IWF sagt außerdem, dass seine Analyse zur künftigen Schuldenentwicklung falsch sei. Es gebe „eine große Differenz“. Die Stresstests im Rahmen der Analyse zur Schuldentragfähigkeit hätten sich als zu milde erwiesen - verglichen mit den tatsächlichen Auswirkungen.

„Keiner der Partner (in der Troika) scheint das Arrangement als ideal anzusehen“, so der IWF-Bericht. Es gebe deutliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Troika, vor allem im Hinblick auf die Wachstumsprognosen. Diese lagen stets weit daneben (mehr hier).

IWF-Mitarbeiter hätten deutlich auf die Risiken des Griechenland-Programms hingewiesen. Warum der IWF dennoch den Troika-Analysen, die er jetzt kritisiert, zustimmte, sagt der IWF nicht. Warum der IWF im Zusammenhang mit dem Griechenland-Bailout seine eigenen Regeln brach, steht ebenfalls nicht im Bericht.

Für Beobachter ist es seit längerem klar, dass alle IWF-Prognosen an der Realität vorbeigingen, wie die Analyse des Harvard-Professors Dani Rodrik zeigt (mehr dazu hier).


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...