Nach jahrelangem Tauziehen haben die fünf US-Regulatoren am Dienstag mit der Volcker-Regel eine symbolische Verschärfung im US-Banken-Kasino vorgenommen.
Die NZZ erläutert die zwei wichtigsten Regulierungen:
„Banken, die der staatlichen Einlagenversicherung angehören und Zugang zum Diskontfenster der amerikanischen Notenbank haben, ist es künftig untersagt, auf eigenes Risiko mit Wertschriften zu handeln. Aus demselben Grund darf eine Bank maximal 3% ihres Eigenkapitals in Hedge-Funds oder Beteiligungsgesellschaften investieren.“
Es wäre gut, wenn es denn wirklich so wäre.
Doch es gibt wesentliche Einschränkungen. Und die sind nicht juristisch festgezurrt, sondern der Interpretation überlassen.
Denn die Banken dürfen weiter als sogenannte „Marktmacher“ agieren: Sie sind Vermittler zwischen Käufern und Verkäufern. Um als Markmacher agieren zu können, müssen die Banken ein Lager an Wertpapieren anlegen. Nur so können sie die Balance zwischen Angebot und Nachfrage herstellen.
Genau hier beginnt die Grauzone, die kein Regulator der Welt jemals in den Griff bekommen wird: Die Banken können – auch mit Zentralbankgeld – immer mitspielen. Sie können nämlich sagen, dass sie riskante Geschäfte nicht aus Risiko getätigt haben, sondern weil die den Markt falsch eingeschätzt haben.
Es hätte eine einfache Regelung gegeben: Das Lager hätte nicht über einen gewissen Prozentsatz des Eigenkapitals hinausgehen dürfen. Doch solch klare Regeln sind der Welt der Banken nicht durchsetzbar.
Der zweite Punkt, bei dem die Banken nicht kontrolliert werden können, sind die sogenannten „Absicherungsgeschäfte“ (englisch „Hedging“, Volksmund: Wetten). Banken können jedes Geschäft mit Hedging begründen. Das haben die Regulatoren auch gesehen.
Doch die Kontrolle, die nun eingeführt wird, verdient den Namen nicht: Die Banken müssen erklären, welches spezifische Risiko sie durch Wetten absichern. Das ist Papierkram, aber keine Sicherheit. Außerdem muss der CEO unterschreiben, dass sich seine Bank an die Regeln hält. Er muss nicht unterschreiben, dass sie keinen Eigenhandel betreibt.
Wenn also wieder irgendein durchgeknallter Einzeltäter wie der Wal von London oder der fabelhafte Fab von Goldman auf eigene Rechnung Eigenhandel betreibt, wird das Management auch künftig nicht verantwortlich sein.
Für die großen Spekulanten ist die Volcker-Regel ohnehin nicht von Bedeutung: Goldman, Citi und Morgan Stanley haben ihre Eigenhandels-Abteilungen längst geschlossen.
Die neuen Regeln treten erst ab 2015 in Kraft. Man kann also davon ausgehen, dass die Banken es in den kommenden Jahren noch einmal richtig krachen lassen.
Viele werden sich danach zur Ruhe setzen. Nicht, weil die Volcker-Regel so streng ist, nein: Sie werden so viel Geld gemacht haben, dass sie es nicht mehr nötig haben.
Für die nächste Generation der Zocker-Banker wird jetzt bereits eine ganze Armee von Anwälten in die Spur geschickt: Das neue Dokument hat über 1.000 Seiten – viel Raum für die Kreativität von Anwaltskanzleien. Die New York Times berichtet, dass eine große Kanzlei in New York bereits am Montag damit begonnen hatte, zusätzliche Drucker zu installieren: Das neue Gesetz wird ab sofort auf Schlupflöcher hin durchsucht.
Die Volcker-Regel ist im Prinzip eine gute Sache. Doch sie setzt voraus, dass alle Beteiligten bei den Banken real nachvollziehbare Produkte herstellen und sich freiwillig hohe ethische Standards beachten.
Nichts davon ist der Fall.
So ist die neue Regel eine kleine PR-Nummer für US-Präsident Barack Obama.
Ihre Wirkung für die Banken ist, als würde man einen Knigge an Lustmörder verteilen.
Es wird weiter Opfer geben.
Aber sie werden künftig mit einem sauberen Messer ermordet.