Deutschland

EU-Wahl: Karlsruhe signalisiert Vorbehalte gegen Drei-Prozent-Klausel

Lesezeit: 1 min
18.12.2013 17:31
Das Bundesverfassungsgericht hat Vorbehalte gegen die 3-Prozent-Klausel zur Europawahl. Diese stelle einen Eingriff in die Chancengleichheit der politischen Parteien, so Gerichtspräsident Voßkuhle. Bis zur Wahl am 25. Mai könnte die Sperrklausel kippen. Es wäre eine unangenehme Erschwernis für die herrschenden Parteien.
EU-Wahl: Karlsruhe signalisiert Vorbehalte gegen Drei-Prozent-Klausel

Das Bundesverfassungsgericht hat Vorbehalte gegen die neue Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen in Deutschland.

Es bestehe weitgehende Einigkeit darüber, dass bei einer Europawahl jede Sperrklausel einen Eingriff in die Chancengleichheit der politischen Parteien darstelle, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, am Mittwoch in Karlsruhe bei der Anhörung der Klage kleiner Parteien gegen die seit Oktober gültige Drei-Prozent-Hürde. Trotzdem könne die Beschränkung zulässig sein.

Während Vertreter von Bundestag und Europaparlament die Drei-Prozent-Hürde als Maßnahme für politische Stabilität rechtfertigten, sehen sich die Kläger in ihren demokratischen Rechten beschnitten (mehr hier).

„Dieser Eingriff kann aber aufgrund bestimmter rechtlicher und bestimmter tatsächlicher Verhältnisse gerechtfertigt sein“, sagte Voßkuhle.

Eine solche Rechtfertigung hatte das Gericht 2011 nicht gesehen, als es die Fünf-Prozent-Klausel bei Europawahlen kippte. Damals sei nicht erkennbar gewesen, dass die Funktionsfähigkeit des EU-Parlaments bei einem Wegfall der Sperrklausel und damit einer Zunahme der Zahl der vertretenen Parteien maßgeblich beeinträchtigt würde, sagte Voßkuhle.

Bundestag und Bundesrat billigten mit großer Mehrheit im vergangenen Sommer die Drei-Prozent-Hürde. Nun komme es darauf an, inwieweit sie sich „in ihren Auswirkungen von einer Fünf-Prozent-Klausel unterscheidet“ und ob sich die rechtlichen und tatsächlichen Umstände seit 2011 geändert hätten, erklärte der Gerichtspräsident.

Zumindest der Berichterstatter des Zweiten Senats in dem Verfahren, Michael Gerhardt, sagte während der Anhörung, er sehe nicht, „dass neue Umstände zur Rechtfertigung einer Sperrklausel eingetreten sind“.

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sagte, in fast keinem Land der EU könne eine Partei mit weniger als 3 Prozent der Stimmen ins Europaparlament kommen. Würde das Bundesverfassungsgericht nun die Drei-Prozent-Hürde kippen, „dann würde die Bundesrepublik Deutschland ausscheren“. Diese Sperrklausel sei wichtig, damit das EU-Parlament nachhaltige strukturelle Mehrheiten bekomme.

Geklagt haben kleine Gruppierungen wie die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die Freien Wähler und die Piratenpartei. Solange das Damoklesschwert einer Sperrklausel vorhanden sei, falle es Kleinparteien viel schwerer, geeignete Kandidaten zu bekommen und Spenden einzuwerben, sagte der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim als Prozessbevollmächtigter der Freien Wähler und der ÖDP.

Es wird erwartet, dass das Urteil im Frühjahr fällt, sodass es noch rechtzeitig vor der nächsten Europawahl am 25. Mai umgesetzt werden könnte.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...