Technologie

Fukushima: Tepco findet geschmolzene Brennstäbe in Atom-Ruine nicht

Die Zeit in Fukushima drängt: Die Skandal-Firma Tepco kann die Ruine nicht stabilisieren. So fließen Millionen Liter radioaktives Wasser in den Pazifik. Nun will Tepco mit Hilfe von kosmischen Strahlen die kaputten Brennstäbe finden.
05.02.2014 00:20
Lesezeit: 3 min

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Die Firma Tepco ist offenbar am Ende ihrer Weisheiten bei der Behebung der Atom-Katastrophe von Fukushima. In ihrer Ratlosigkeit, wie die Firma die kaputten Brennstäbe finden soll, hofft Tepco nun auf ein Wunder. Mit kosmischer Strahlung wollen die "Experten" die Brennstäbe finden.

Ein wenig vertrauenerweckendes Manöver angesichts der Brisanz der Lage in Fukushima.

Tatsächlich zeigt die Idee, dass Tepco mit seinem Latein am Ende ist und zu immer obskureren Mitteln greifen muss, um die Lage in den Griff zu bekommen - und das mit einer Technologie, von der die Atom-Lobby seit Jahr und Tag behauptet, sie sei die sicherste der Welt.

Japanische Wissenschaftler haben nun angeblich eine Methode entwickelt, um den geschmolzenen Brennstoff Corium in den Fukushima-Reaktoren zu lokalisieren. In drei von vier Reaktoren fand am 11. März 2011 eine Kernschmelze statt. Seitdem machen es die extrem-hohen Strahlenwerte den Arbeitern von Tokyo Electric Power Co (Tepco) unmöglich, den genauen Ort und Zustand des Materials zu bestimmen.

Eine Gruppe von Wissenschaftlern der High Energy Accelerator Research Organization (KEK) unter der Leitung von Fumihiko Takasaki entwickelte die Methode, wie Asahi berichtet. Das Verfahren macht ein Betreten der Reaktoren dabei unnötig. Stattdessen bedienen sich die Wissenschaftler kosmischer Strahlung, um das Corium von außerhalb des Reaktors zu lokalisieren. Das Prinzip ist seit den 60ern bekannt und wurde bisher zur Kartographierung von Vulkanen eingesetzt.

Winzige Elementarteilchen, sogenannten Myonen, besitzen die Fähigkeit, durch Feststoffe und Lebewesen hindurchzufliegen. Kommen sie jedoch mit schweren Elementen wie Uran in Kontakt, werden sie gestreut oder sogar gestoppt. Nach dem Vorbild der Röntgenaufnahmen können so „Fotografien“ angelegt werden, die die genaue Position des Kernmaterials wiedergeben.  Die Forscher führten bereits erfolgreiche Langzeit-Tests mit dieser Methode am Tokai Nr. 2 Atomkraftwerk (AKW) durch. Dazu stellten sie zwischen Februar 2012 und Dezember 2013 Myonen-Sensoren rund um das Reaktorgebäude auf und erstellten dadurch drei-dimensionale Bilder. Darauf erkennt man die Sicherheitsbehälter, das Abklingbecken und den Umfang der gelagerten Brennelemente.

Der Rettungs-Versuch mit der kosmischen Strahlung scheint indessen nur ein Ablenkungsmanöver von Tepco zu sein.

Tepco und die japanische Regierung planen das Kernmaterial aus den drei Reaktoren nämlich erst im Jahr 2020 herauszuholen, um das AKW stilllegen zu können. Doch neueste Strahlenwerte des Grundwassers zeigen, dass es bis dahin zu spät sein könnte. Demnach ist die Belastung in manchen Bereichen auf 1,7 Millionen Becquerel pro Liter angestiegen. Andere Proben waren „Nicht mehr auf der Mess-Skala“, weil ihre Verseuchung durch Strontium-90 zu stark war. Einige der Reaktorbehälter weisen große Risse auf. Tepco meldete erst kürzlich ein großes Leck an Reaktor 3. Durch das Leck strömt vermehrt Grundwasser in den Sicherheitsbehälter ein, gerät in Kontakt mit dem geschmolzenen Kernmaterial und tritt wieder aus (mehr hier).

In Fukushima stehen die Forscher zudem vor einem schwerwiegenden Problem. Ein Teil des geschmolzenen Coriums könnte in Richtung der Untergeschosse gelaufen sein. Um es dort zu lokalisieren, müssten die Myonen-Sensoren, die jeder etwa 800 Kilogramm schwer und 140.000 Euro teuer sind, tief in die Erde außerhalb des Reaktors eingegraben werden. Und die Zeit drängt. Das geschmolzene Kernmaterial erreicht enorm hohe Temperaturen und droht sich durch den Boden des Reaktors zu brennen.

„Das geschmolzene Kernmaterial setzt gewaltige Temperaturen frei und erhitzt so den Boden des Reaktors. Ob die Tragödie geschieht, dass sich der Brennstoff durch den Boden brennt, ist unklar“, sagte Natalia Manzurova in einem Vortrag auf der Global Green USA. Manzurova ist russische Kern-Physikerin und war Teil der Aufräumarbeiten in Tschernobyl. Sie vergleicht die dramatische Situation in Tschernobyl mit der Katastrophe von Fukushima.

„Für 24 Stunden stand die Welt damals am Rande einer riesigen Katastrophe. Denn der Reaktor war zwar von oben versiegelt, aber er drohte sich unten durch den Boden zu brennen. Wenn der Reaktor durch den Boden gebrannt wäre, dann hätte die enorme Radioaktivität sich im Grundwasser verbreitet und wäre um die ganze Welt verbreitet worden“, sagte Manzurova.

„Damit das nicht geschieht, haben russische Bergleute Tunnel unter dem Reaktor gegraben. Sie haben ihr Leben geopfert und die Tunnel mit Zement gefüllt, damit der Reaktor von unten verschlossen ist“, so Manzurova.

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